Montag, Januar 11, 2010

Leben hinter Mauern


Je mehr es in der Bundesrepublik abwärts geht, um so öfter berichtet man vom Unrechtsstaat DDR.Wir sollen nicht vergessen, wie unterdrückt wir waren. Dem Empfinden nach lebe ich jetzt länger in der BRD als in der DDR, was zwar nicht so ist, aber wohl daran liegt, dass man sich an die frühe Kindheit nicht mehr so erinnert. Einschneidende Erlebnisse, die haften blieben, sind bei DDR-Kindern meist Scheidung der Eltern. Da waren wir Weltspitze. Aber sonst verlief die Kindheit in einem „geregelten, sozialistischen Gang“. Den ersten Einschnitt in die Idylle gab es bei der Delegation auf die EOS. Da spielte das Elternhaus eine Rolle, was als ungerecht empfunden wurde. Daran hat sich aber nichts geändert, denn die soziale Herkunft spielt bei der Bildung von heute eine größere Rolle als je zu vor. Man kann dieses Makel auch nicht beseitigen, indem man sich zum Militärdienst verpflichtet oder in eine Partei eintritt. Bildung ist abhängig vom Geld. Die Berufswahl ging in der DDR vergleichsweise unproblematisch von statten.Wir wussten bereits, wo wir weiter lernen, bevor wir mit der Schule fertig waren. Niemand blieb auf der Strecke, war er noch so doof oder krank. Wir „mussten“ arbeiten, was anfänglich auch als Unrecht galt, was ich aber lange nicht mehr gehört habe, seitdem man hierzulande darüber diskutiert, Harz-IV-Empfänger zur Arbeit zu zwingen. Was gerne angeführt wird, sind die Fälle von Berufsverbot in der DDR. Was aber nicht bedeutete, dass man nicht gearbeitet hat, sondern einen privilegierten Arbeitsplatz verlor und in der Produktion oder ähnlichen arbeiten musste. Bei Berufsverboten in der BRD, die es nach dem Radikalenerlass gab, waren die Folgen meist schlimmer. Arbeitslosigkeit war ein sozialer Absturz, wenn auch nicht so schlimm wie heute. Der entscheidende Unterschied der Systeme bestand im Konsum. In der DDR war er geplant, reglementiert und vieles subventioniert. Das war die wahre Unfreiheit der DDR Bürger. Was fehlte, war nicht Reisefreiheit, sondern Zugang zu freien Märkten. Die meisten DDR Bürger wollte zuerst neueste Technik, billige Farbfernseher, schöne Möbel und Westautos. Erst dann kamen Reisen.
Was war die Mauer? Ein antifaschistischer Schutzwall oder die Abschottung von Märkten, die Trennung von Feuer und Wasser? Ich möchte behaupten, die Mauer (Sozialismus) war ein regelndes Element, ein Damm gegen Maßlosigkeit. Nicht immer sind die Folgen gleich sichtbar und berechenbar, manchmal dauert es sehr lange, bis man einen Fehler bemerkt. Wenn man Pech hat, ist er dann nicht mehr reparabel. Freie Märkte sorgen für Zufriedenheit von Tausenden und zur Unzufriedenheit von Millionen. Die Unzufriedenheit in der DDR zeigte sich zuerst durch lautstarke Randale bei Fußballspielen. Bis zur Brandstiftung von Autos sind wir nicht gekommen. Lange lassen sich Veränderungen nicht mehr verhindern. Da kann man noch so viele Superstars suchen, die Hoffnung reich zu werden, kann man nicht grenzenlos dehnen. Die Unzufriedenheit wächst. Das größte Unrecht der DDR war die Mauer, ohne die sie nicht hätte existieren können. Allerdings gibt es die Mauer auch heute noch und ich weiß, wovon ich rede. Und sie ist schlimmer als in der DDR. Der Kapitalertragsschutzwall, auch genannt Harz IV, sperrt noch keine 16 Millionen Menschen ein, aber dafür sitzen sie sozusagen in Einzelhaft, ohne Anteil am gesellschaftlichen Leben, in den eigenen vier Wänden verkrochen. Diese Mauer, auch Kapitalertragsschutzwall, ist schlimmer wie in der DDR und sie kostet auch Menschenleben. Damit meine ich nicht nur die Menschen, die sich aus Verzweiflung das Leben nehmen, sondern auch deutsche Soldaten, die in Afghanistan und der Welt unsere „Freiheit“ verteidigen. Das einzige, das hier geschützt wird, ist das Kapital, was neue Märkte braucht. Das, was wir jetzt tun, ist schlimmer wie kalter Krieg. Wir boten uns gegenseitig aus, um einen Vorteil zu erwirken und schrecken auch nicht vor Anwendung von Waffengewalt zurück.Wir nehmen alles hin, selbst Verstöße gegen das Grundgesetz, wie den Afghanistan Einsatz. Eigentlich haben wir nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, uns zu wehren, wenn unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung scheibchenweise beseitigt wird. Aber nichts passiert. Die meisten meinen, man könnte sich nicht wehren, aber das stimmt nicht. Wenn einer das Licht ausschaltet, passiert gar nichts, wenn alle das Licht ausschalten, schon. Wir haben alles in der Hand, wenn wir uns nur einig wären. Das wird nicht passieren. Es liegt in der Natur des Menschen, mehr haben zu wollen. Da eine Bereicherung ohne Ausbeutung aber nicht möglich ist, muss jedem vernünftigen Menschen klar sein, dass es zu einer Entladung angestauter Wut kommen muss. Dann wird sich zeigen, welches System das unmenschliche ist, denn ich glaube nicht, dass es ein zweites Mal friedlich geschieht.

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