Montag, April 27, 2015

Newtopia oder was ist Demokratie

    Wir sind nicht in der Lage, eine neue Gesellschaft aufzubauen, weil wir im Denken nicht frei sind. Die Einflussnahme bei Newtopia fand schon statt, bevor es überhaupt ein Konzept für die Sendung gab. Unser Bildungssystem sorgt dafür, dass der frei denkende Mensch selten vorkommt und die Medien sorgen dafür, dass er isoliert wird. Was man uns im Fernsehen zeigt, kann gar nichts anderes sein als neoliberale Denkweise. Was muss denn die Konsequenz sein, wenn man sich darüber aufregt? Eines ist sicher, als Wähler werden sie nichts verändern können. Auch die Gewerkschaften, die nur höhere Löhne verlangen statt weniger Arbeitszeit, werden nichts verändern. Nicht nur die Menschen bei Newtopia können keine freien Entscheidungen treffen. Wir alle unterliegen Zwängen. Wir alle sind in ein Machtsystem eingebunden, das für nicht Regel konformes Verhalten Strafen vorsieht. Ein freier Mensch kann seine Entscheidungen aber ohne jeden Einfluss treffen. Wenn wir Freiheiten aufgeben müssen, dann doch nur, wenn wir diese Entscheidung gemeinsam treffen und man einsieht, dass es keine andere Möglichkeit gibt. Im Moment werden unsere Freiheiten in einem noch nicht dagewesenen Maß eingeschränkt. Die Begründungen sind vielschichtig, basieren aber alle auf Angst. Gemeinsam getroffen werden diese Entscheidungen aber nie. Diese Ordnung, welche sich Demokratie nennt, produziert aber Leichenberge. Unsere westliche Werteordnung versagt nicht nur im Mittelmeer. Dieses Trauerspiel kann nur weiter existieren, weil wir es mittragen.Warum tragen wir es mit? Weil wir unter einer ständigen Gewaltandrohung stehen. Wer übt diese Gewalt auf uns aus? Wir selbst. Wie bringt man uns dazu? Mit Feindbildern. Wenn der größte Teil der Bevölkerung in der Lage ist, eine Sendung wie Newtopia komplett zu ignorieren, warum können wir nicht genauso eine weitere Hand voll Leute ignorieren, die mit ihren Vermögen über unsere Zukunft bestimmen? In den letzten Jahrzehnten hat es keine revolutionären Weiterentwicklungen mehr gegeben. Entwicklungen der Robotertechnik stecken genauso fest wie die der Energiegewinnung. Gesellschaftlich entwickeln wir uns sogar zurück. Nur eines hat sich weiter entwickelt: die Computertechnik und damit die Totalüberwachung.Dies ist eine Zukunft, die ich nicht haben will. Die Frage ist nun: Kann man ohne Gewalt eine Veränderung herbeiführen? Wenn jeder Mensch das Recht hätte, seinen Wohnsitz frei zu wählen, würde sich die Welt verändern und die Leichenberge verschwinden. Leider wird dies nicht passieren. Eine Mauer aus Stein kann man einreisen, eine Mauer in den Köpfen muss aussterben. Mit anderen Worten, ich werde es nicht erleben. Die Welt in meinem Kopf ist für die „Leistungsträger" dieser Gesellschaft utopisch, was aber nicht bedeutet, dass sie unrealisierbar ist, sondern von einer Minderheit unerwünscht. Die Mehrheit der Menschen ist mit ihrem gegenwärtigen Leben nicht zufrieden. Warum reich das nicht aus, um Veränderungen herbeizuführen. Die entscheidende Frage ist, was verstehen wir unter Demokratie. Wie kann man sich einig werden, ob man die Demokratie ausbauen oder abschaffen will, wenn man sich über die Begrifflichkeit nicht einig ist. Wir sollten es vermeiden, Begriffe wie Demokratie überhaupt zu verwenden und diese lieber umschreiben. Im Moment herrscht eine Elite mit Hilfe eines Machtmonopols über die Mehrheit der Bevölkerung. Wenn das Demokratie ist, bin ich antidemokratisch. Das, was ich will, ist aber das Finden eines breiten Konsens, ohne jede Gewaltandrohung. Leider sind wir der Meinung, dass ohne Machtelite (Polizei- Armee- Staat) das Chaos ausbräche. Beweise dafür, dass dies so ist und bei jeder sich gebenden Gelegenheit geplündert und gemordet wird, gibt es genug. Das Bild, das wir im Kopf haben, sind durch die Straßen ziehende Banden von schwarzen Jugendlichen, die beim Zusammenbrechen der öffentlichen Ordnung (z.B. Stromausfall) plündern. Das Bild, das wir nicht im Kopf haben, sind „westliche" Soldaten, die in Kriegsgebieten morden, rauben, vergewaltigen. Unsere westliche Werteordnung lässt das größtmögliche Chaos (Krieg) nicht nur zu, sie rechtfertigt es auch noch damit, Demokratie zu bringen. Wenn man David Graeber liest, stellt man verblüfft fest, dass es in der Vergangenheit einiges gab, was gerechter war. Das Argument, der Kapitalismus ist die fortschrittlichste Gesellschaftsform, weil er übriggeblieben ist, taugt nichts. Nach dieser Logik wäre der Nationalsozialismus das überlegene System und die Arier die überlegene Rasse, wenn wir den Krieg gewonnen und Juden, Sinti und Roma ausgerottet hätten. Bis zum heutigen Tag bedeutet Überlegenheit Ausübung von Gewalt und es ist völlig egal, ob man diese Menschen Faschisten, Kommunisten oder Demokraten nennt. Das, was wir wählen können, sind allenfalls Repräsentanten der Macht. Die Eliten selbst stehen nicht zur Wahl, nein, sie sind uns nicht einmal wirklich bekannt. Wenn es ein Widerstandsrecht gegen jeden, der unsere demokratische Grundordnung beseitigen will, gibt, was genau bedeutet das? Bedeutet das, dass wir unsere Bundeskanzlerin absetzen und einsperren können, weil sie gegen den Willen der Bevölkerung ESM und TTIP durchboxt oder bedeutet das, dass wir uns selbst einsperren müssen, wenn wir uns ihrem Willen nicht beugen? Im Grundgesetz steht: Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. Von den Deutschen wird dies sicher als eine Art Zusicherung verstanden. Es ist aber nur eine Feststellung, die für jedes andere Land dieser Welt und das dritte Reich genauso gilt und galt.Deshalb trägt auch nicht nur Adolf Hitler und seine Regierung Schuld an den Gräueltaten des Nationalsozialismus, sondern das gesamte deutsche Volk. Genau so wie heute alle Europäer Schuld an ertrunkenen Flüchtlingen tragen. Wir brauchen auch kein Widerstandsrecht gegen eine Regierung, die dem Willen des Volkes zuwider handelt. Wir haben die Macht, die Eliten und ihre Repräsentanten einfach zu ignorieren. Was uns davon abhält, ist, dass wir selbst glauben, dass wir ohne staatlichen Machtapparat im Chaos versinken würden. Eine selbst bestimmende Bevölkerung ist nicht mehr vorstellbar. Über die Ziele einer weltweiten Gerechtigkeitsbewegung ist uns eigentlich nichts bekannt. Das liegt daran, dass sie von den Medien totgeschwiegen wird, solange es geht. Wenn das nicht klappt, wird anschließend mit den üblichen Mitteln diffamiert. So sind Aktivisten von Occupy für uns Verschwörungstheoretiker und Spinner und Zapatistas kennen wir nicht. Wer unzufrieden ist, muss doch wissen wollen, woran es liegt. Wer weiß, woran es liegt, will doch eine Alternative finden, und wer eine Alternative finden will, den interessiert doch, was andere für Wege gegangen sind oder noch gehen. Eine solche Information werden sie aber in keinem Medium finden, das dem aktuellen Machtapparat dient. Abschließend möchte ich etwas zitieren was ich kürzlich gelesen habe.

    Juristen sind sich indessen schon seit langem darüber im Klaren, dass durch die Zwangsnatur des Staates sichergestellt ist, dass demokratische Institutionen auf einem fundamentalen Widerspruch gründen. Walter Benjamin hat das klug zusammengefasst, als er darauf hinwies, dass jede Rechtsordnung, die ein Monopol auf Gewaltanwendung beansprucht, durch eine Macht außerhalb ihrer selbst begründet sein muss,was zwangsläufig bedeutet, durch Handlungen,die in jedem vorangegangenen Rechtssystem illegal waren. Die Legitimität eines Rechtssystems beruht folglich notwendigerweise auf Akten krimineller Gewalt."

    David Graeber Frei von Herrschaft