Donnerstag, August 30, 2018

KenFM im Gespräch mit: Gerald Hüther ("Mit Freude lernen")

https://www.youtube.com/watch?time_continue=919&v=dzHhHs2bmvg

Wenn Tatsachen und Theorie nicht übereinstimmen haben die Tatsachen eben Pech gehabt



Vor kurzem meldeten die Nachrichten, die Pensionskassen seien in großen Schwierigkeiten. Den Lebensversicherungen geht es genauso. Schuld sei die Niedrigzinsphase. Die Auslaufleistungen schrumpfen immer mehr zusammen. In den fetten Jahren wurden die Gewinne eingestrichen und jetzt sollen die Versicherten das unternehmerische Risiko übernehmen und auf die Überschussbeteiligung verzichten. Warum sind wir aber in dieser prekären Situation? Weil die Zinsen so niedrig sind? Ist billiges Geld denn nicht Motor für die Wirtschaft? Wenn niedrige Zinsen das Wachstum fördern, aber den Sparer um sein Erspartes bringen und hohe Zinsen das Wachstum bremsen, aber dem Sparer sein Erspartes sichern, ist das nicht ein Widerspruch? Bedeutet das, wenn die Zinsen niedrig sind und die Wirtschaft trotzdem nicht wächst, dass wir an der Grenze unserer Leistungsfähigkeit angekommen sind. Wenn ein Essen nicht schmeckt und man hat schon 10 mal Salz zugegeben, kann man so oft man will Pfeffer, Paprika, Kümmel, Piment dazu geben, es bleibt verdorben. Aber man kann nicht mehr genau sagen, was die größte Sauerei angerichtet hat. Jetzt einen Gewürzwissenschaftler anzustellen, der das Essen rettet, hat keinen Sinn. Das einzige, was der kann, ist, erklären, dass es nicht am Koch gelegen hat. So ist es mit unserem Geldsystem. Ein Fehler wird mit weiteren überlagert, das ändert aber nichts an der Situation, es wird nur unübersichtlich. Der Kapitalismus steckt in der Krise. Es wird nur immer weiter gewürzt, dass niemandem klar wird, dass dauerhaftes Wachstum keine Perspektive ist. Mit dem Sieg über den Ostblock hat sich der Kapitalismus einen Markt geschaffen, den er nicht mehr bewältigen kann. Wohlstand durch Wachstum funktioniert nur begrenzt, denn man braucht für den Wohlstand Schuldner und Konsumenten. Wenn die Schuldner die Last des Wohlstands nicht mehr tragen können, gibt es einen Aufstand. Deshalb gab es in der Geschichte regelmäßig Schuldenerlasse. Die Menschen in den Schuldentürmen durften nach Hause und das lange bevor es den Kapitalismus gab. Es liegt also nicht am Kapitalismus, sondern an etwas, was vorige Gesellschaftsformen mit ihm gemeinsam haben. Das gemeinsame ist der Zins, er schafft Eliten und spaltet die Gesellschaft. Der Zins schafft durchaus auch Wohlstand, aber eben nicht gerecht, sondern für wenige besonders viel. Die anderen liefert er den wenigen in unterschiedlicher Stärke aus, aber abhängig sind alle. Wenn das Geldsystem wieder zusammenbricht, Pensionen und Lebensversicherungen nicht mehr auszahlen, aber trotzdem Beiträge verlangen, wenn die Menschen auf die Straße gehen, um zu demonstrieren, wird die heutige Demokratie ihr wahres Gesicht zeigen. Das, was wir brauchen, ist eine internationale Diskussion über eine neue Ausrichtung. Diese muss mit Nachdruck geführt werden, denn es wird keine zweite friedliche Revolution geben. Wohlstand in einem Meer von Elend lässt sich nur mit Gewalt aufrecht erhalten. Unsere Wohlstandsgesellschaft ist keine gelebte Freiheit, sondern Diktatur. Die darunter leiden müssen, werden von Tag zu Tag mehr. Wir wollen eine soziale Gesellschaft, steuern aber immer tiefer in die Diktatur. Noch kann die Diktatur hauptsächlich mit Werbung ausgeübt werden. Das hier Zwang ausgeübt wird, weil sich die Gesellschaft über Besitz definiert, weiß am besten, wer versucht einem 14 jährigen sein altes Handy statt dem neusten anzudrehen. Die Werbung reicht aber nicht mehr, weshalb der Staat uns zu Käufen zwingt, die wir uns nicht leisten können. Von einem Auto wurden wir schon mit Androhung von Gewalt getrennt, das zweite steht bereits an. Wenn es um die Umwelt geht, übt jeder Staat nur Zwang auf die Verbraucher aus, die Produzenten werden verschont wegen der Sicherung von Arbeitsplätzen. „Sozial ist was Arbeit schafft" ist der perverseste Leitfaden heutiger Politik. Damit wäre Krieg das sozialste was es gibt. Davon wird sich jeder Politiker natürlich distanzieren. Bei der Waffenproduktion sieht das schon anders aus, hier darf man schon einmal an die Arbeitsplätze denken. Mit Vernunft hat solche Politik aber nichts zu tun. Es wäre uns wesentlich billiger gekommen, die Bergleute zu Hause zu lassen und einfach weiter zu bezahlen, als Steinkohleabbau zu fördern, um die Arbeitsplätze zu sichern. Diesem System geht es nicht um Arbeitsplätze, sondern um Disziplinierung und darum, eine überfällige Diskussion über die Verteilung von Ressourcen und der Wertschöpfung aus Maschinenarbeit nicht aufkommen zu lassen. Die zwei entscheidenden Denkfehler heutiger Politik sind, von einer Wirtschaft / Gesellschaft auszugehen, die ständig wächst und in der Menschen weiter die Hauptproduktivkraft sind. Beides ist für gesunden Menschenverstand undenkbar. Dieser Markt wird nicht von Angebot und Nachfrage geregelt, sondern vom indirekten und direkten Zwang. Menschen müssen einer Arbeit nachgehen, die gesellschaftlich anerkannt ist. Hinter dieser Anerkennung steht das Kapital. Es steuert damit das Verhältnis von Schuldnern und Konsumenten. Das gefährliche am bedingungslosen Grundeinkommen ist nicht, dass niemand mehr arbeiten wollte, sondern dass ohne Einfluss auf Schuldner und Konsument eine neue Gesellschaft entstehen kann, in der Eliten keine Macht ausüben können. Statt zu helfen, die Menschenrechte von Flüchtlingen zu unterdrücken, sollten wir versuchen, eine neue Ordnung zu gestalten. Die Frage, ob wir an unserer Leistungsfähigkeit angelangt sind, ist eindeutig mit nein zu beantworten. Warum es in den letzten Jahrzehnten keine entscheidenden wissenschaftlichen Entwicklungen gegeben hat, liegt darin begründet, dass sich dadurch gesellschaftliche Widersprüche verschärfen. Die Gesellschaft bringt es nicht fertig, die Vermögensverteilung den Prozessen des Fortschritts anzupassen. Jeder Politiker weiß, warum der Sozialismus ineffektiv war. Was die Effektivität heutiger Verwaltungsbeamter, Versicherungsvertreter, Bankangestellter, Steuerberater, Anwälte, Telefonverkäufer usw. ausmacht, verstehen nur Politiker. Auch wenn sich diese Menschen heute für wichtig halten, unterscheiden sie sich nicht von den ineffizient Beschäftigten der DDR. Überflüssigkeit bringt gesellschaftliche Probleme. Die Lösung des Problems war in der DDR genauso falsch wie heute. Damals wie heute sehen sich die Eliten durch eine nötige Entwicklung in ihrer Existenz bedroht. Sie antworten mit Vertuschung von Problemen, mit Repressalien und Überwachungsstaat.

Gesellschaftliche Widersprüche müssen aber gelöst werden, sonst führen sie zu Gewalt. 1989 hat es keinen Neuanfang gegeben. Die friedliche Revolution blieb friedlich, weil die wahren Eliten nicht angetastet wurden (gib mir die Macht über das Geld und es ist mir egal wer die Gesetze macht). Wir haben nichts neues geschaffen, sondern dem alten die Gelegenheit gegeben, Lösungen vor sich her zu schieben. Die Probleme brechen aber bald hervor. Wie das geschehen wird, kann niemand sagen. Viele versuchen, sich darauf vorzubereiten. Es gibt Anlage Beratungen, wie man sein Geld durch den Systemkollaps rettet. Es werden Dauerlebensmittelpakete verkauft, Bunker gebaut und Waffen angeschafft, um das Überleben im Krisenfall zu sichern. Was aber niemand wirklich betreibt, ist, die Probleme anzusprechen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten, damit es nicht dazu kommt. Statt dessen wird die Krise zum Geschäft. Und da ist die Mehrheit der Menschen nicht davon zu überzeugen, dass der Kapitalismus nicht das beste Wirtschaftsmodell ist. Der Umbau einer Gesellschaft ist vor allem eine geistige Aufgabe, es fehlt aber an der Bereitschaft zu lernen. Das Kapital ist ohne den Menschen wertlos. Selbst wenn es ihn durch technischen Fortschritt nicht mehr für die Produktion braucht, ist er als Konsument unabkömmlich. Damit besitzt der Mensch die Überlegenheit gegenüber dem Kapital. Aber er begreift es nicht. Soziale Strukturen in der Gesellschaft lösen nicht die Konflikte sich widersprechender Interessen. Sie sind nur Zugeständnissen, die gemacht wurden, weil es keinen anderen Ausweg gab. Der Sozialstaat, auf der die Legitimation der Bundesrepublik beruht, war die Antwort auf die DDR. Das kann sich die Bundesrepublik aber nicht mehr leisten, obwohl ihre Wirtschaftskraft doch so viel größer ist als die der DDR. Dass die Loyalität der Bürger davon abhängt, wie Sozialpolitik erfüllt werden kann, wird zum Problem. Deshalb versucht man mit Sport und Werbeaktionen, wie „Du bist Deutschland", den Nationalstaat zu beleben. Wir sollen den Staat nicht als Sozialstaat begreifen, sondern als Vaterland. Wir sollen nicht fordern, sondern fürs Vaterland opfern. Der Sozialstaat wird abgeschafft und wir nennen das Förderung von Eigenverantwortung.

Die soziale Marktwirtschaft ist kein Erfolgsmodell. Sie blutet seit der Wende Stück für Stück aus. Alle Chancen der Wende für etwas neues wurden vergeben. Der Exportweltmeister kann sich nicht nur den Sozialstaat der DDR nicht leisten, er baut trotz steigender Wirtschaftskraft noch ab. Die Frage ist, wie weit kann es gehen? Bargeld ist das einzige Druckmittel, was zwischen unserem Ersparten und Negativzinsen steht. Frei verfügbare, bewegliche Werte sind die einzige Möglichkeit, vor Verfolgung zu fliehen. Noch haben wir keine geheime Staatspolizei. Aber wenn, ist die bargeldlose Gesellschaft ein Horror für jeden, der nicht System konform ist. Das Ziel einer gerechten Gesellschaft gilt als unerreichbar. Wenn man sich aber treiben lässt, findet man sich schnell in einem Alptraum wieder. Das Bild einer Diktatur ist Schwarzmalerei, aber nicht unrealistisch. Es gibt eine Menge neuer Fragen, auf die die Politik nur alte Antworten hat. Das ist nicht besonders förderlich, um Unzufriedenheit zu verhindern und die Menschen vor Bauernfängern zu behüten.Widersprüche sind Triebkraft der Bewegung.

Rechte Gewalt ist Ergebnis falscher Politik und nicht umgekehrt. Sie wird als Bremsklotz instrumentalisiert. In einem waren sich Eliten trotz aller Konkurrenz immer einig: Kommunismus und seine Vorstufen müssen mit allen Mitteln verhindert werden. Die Geheimdienste spielen hier eine große Rolle und müssten eigentlich Elitedienste heißen.