Montag, Dezember 10, 2018

Gedanken zur Wei(h)nNachtszeit

Unsere Welt hat jede Menge Probleme, für deren Lösung sich die unterschiedlichsten Gruppen einsetzen. Die einen setzen sich für die Umwelt ein, andere für Flüchtlinge, andere übernehmen Patenschaften für Kinder in Afrika, Tiere im Zoo, spenden für hungernde oder krebskranke Kinder usw. usw.. Es gibt nichts, für das keine Hilfe eingeworben wird. So haben viele Menschen zu tun und fühlen sich besser, weil sie helfen können. Auch wenn diese Hilfen gut gemeint sind, helfen sie nur Profite zu steigern und verschlimmern das Elend. Wir lassen damit zu, dass der Staat seine Aufgaben auf den Bürger abwälzt, um das Kapital zu schonen. Ganz egal für was sie sich einsetzen, die Umwelt oder herrenlose Hunde in wer weiß wo, alles hat die gleichen Ursachen. Alles liegt an der Schere zwischen Arm und Reich, die auch nur eine Ursache hat, den Zins. Der Zins ist der Grund, warum Menschen verhungern, unsere Umwelt ruiniert wird, die Renten immer weniger werden. Das kann jeder begreifen, der sich Gedanken macht. Ich habe 2009, als Schwarz-Gelb gewählt wurde, mein Ehrenamt aufgegeben. So etwas wollte ich nicht mehr unterstützen. Geholfen hat es nicht, aber ich fühle mich auch nicht schlechter. Ein Ehrenamt macht keine Gutmenschen. Wer helfen will, sollte lieber eine gelbe Weste anziehen und damit signalisieren: es reicht. Das kostet kaum Zeit und Geld, hat aber eine große Signalwirkung. Wir sind nicht bereit, Reichtum auf dem Rücken anderer und unseres Planeten zu dulden. Wahrscheinlich werden die Fortschritte in der Gesichtserkennung größer als im Sozialen sein. Wenn man aber jetzt nichts unternimmt, wird es bald egal sein, ob sich die Polizei mit den Demonstranten solidarisiert. Dann wird es egal sein, ob alle an einem Strang ziehen oder Vereine zur Hilfe psychisch kranker Kinder mit Vereinen zur Hilfe krebskranker Kinder konkurrieren.

In einer Welt, in der Gemeinnützigkeit pleite gehen kann, steht es außer Frage, was Geld ist. Das macht mir aber keine Angst, weil die Dummheit des Menschen begrenzt ist. Irgend wann wird er aus Schaden klug. Was mir Sorge macht, ist künstliche Dummheit. Wenn der Überwachungsstaat so weit ausgebaut ist, dass er sich selbstständig handelnder Maschinen mit künstlicher Dummheit bedient, dann wird es richtig ungemütlich. Dann werden wir auch verstehen, was Terror ist. Eine künstliche Intelligenz, die das Wissen der Welt zusammenfügen kann, ist dagegen im Kapitalismus undenkbar. Sie würde sich gegen seine Schöpfer wenden. Es ist weit verbreiteter Glaube, dass der Überwachungsstaat nicht schlimm sei, man habe ja nichts zu verbergen. Dabei geht man davon aus, dass das zu Verbergende „unerlaubte" Handlungen sind. Niemand denkt daran, dass man Intelligenz, Abstammung oder Gesinnung verbergen muss. Die roten Khmer haben fast die gesamte Intelligenz umgebracht. Eine Brille wurde hier bereits als Beweis angesehen. Warum gewaltige Datensammlungen und Gesichtserkennung kein Unbehagen auslösen, kann ich nicht verstehen.

Sonntag, November 04, 2018

Die parallele Verwaltung das Modell Stiftungen 6 + 1

https://www.youtube.com/watch?time_continue=1739&v=FtSDm_-nYR4

Bis heute werden amtliche Unterlagen in parteinahen Stiftungen gelagert, und die lassen nur die hinein, die sie reinlassen wollen. So werden die Gesetze zur Presse- und Informationsfreiheit umgangen und Historiker ausgetrickst. Es entsteht, finanziert mit Steuergeldern, eine parallele Verwaltung. Die Rede ist von „Diebstahl von Bundes-Eigentum" und „Komplizenschaft von Bundesregierung und Parteien". Zwei Fronten stehen sich gegenüber. Auf der einen Seite die Politik, und zwar ALLE im Bundestag vertretenen Parteien. Auch die Stiftungen der Grünen und der Linken machen mit der Adenauer-Stiftung gemeinsame Sache, wenn es um das Verstecken von Nazi-Akten und den Aufbau einer parallelen Verwaltung geht. Sie wollen ihr Gewohnheitsrecht durchsetzen und ihre Pfründe sichern. Auf der anderen Seite der Barrikade stehen das Bundesarchiv, die Wissenschaft wie die Archivschule in Marburg, die Historiker und Journalisten, und sogar der Bundesrechnungshof hat das Aktenverstecken als „unzulässig" kritisiert. Das Bundeskanzleramt ignoriert die Rechtslage. Die Afd hatte im Wahlkampf angekündigt, mit der verdeckten Parteienfinanzierung und den Globalzuschüssen für die Stiftungen Schluss zu machen. Doch jetzt will sie selbst an die Fleischtöpfe, so schnell wie möglich. Schließlich locken dreistellige Millionenbeträge, spätestens in der nächsten Legislaturperiode wird ihre neue Stiftung aus dem Staatssäckel finanziert werden. Das sagt kein Gesetz sondern das Modell, das die anderen sechs Parteistiftungen gezimmert haben. Das Modell Stiftung 6, in Zukunft 6 + 1. Die AfD wird aus dem Vollen schöpfen, Denkfabriken und Trainingszentren aufbauen und lukrative Aufträge vergeben, um Themen wie „Umvolkung" und „Genozid an den Deutschen" intellektuell auszuschmücken.

Dienstag, September 04, 2018

Leserbrief zum Nachdenkseitenartikel: Aufstehen, das ist ein Versuch, der der Unterstützung bedarf und Unterstützung verdient

Sehr geehrter Herr Müller,


ja, die Sammelbewegung ist eine Chance aber es ist, wie es immer ist. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das etwas verändert werden muss, darin sind sich fast alle einig, nur nicht darin wie. Daran ändert auch die Sammelbewegung nichts. Politisch aktive Menschen brauchen ein politisches Verständnis. Damit sie sich nicht nur streiten, sondern diskutieren, brauchen sie einen gleichen Wissenshintergrund. Bei der Vielzahl an Informationen, mit denen wir bombardiert werden, ist das schwer möglich. Ich befürchte, dass diese Sammelbewegung sich streitet und in kleine Gruppen zerfällt. Damit würde die Chance für ein gemeinsames Ziel vertan. Druck aufbauen ist an sich einfach, wenn man sich einig ist. Aber Einigkeit ist unerreichbar, ohne eine gemeinsame Diskussionsgrundlage. Außerdem kann man in jede Partei oder Sammelbewegung Leute einschleusen, die das verhindern. In der DDR hätten wir gefragt, ob es viele werden und lachend geantwortet: aber mit „Sicherheit". Ich habe Angst, dass die Menschen durch die Sammelbewegung nicht ermutigt werden, sondern enttäuscht und noch mehr resignieren. Was das bedeutet, weiß jeder. Es führt einen Schritt zurück zu einem starken Führer. Um Druck aufzubauen, erscheinen mir parteilose Kandidaten ungefährlicher. Eine Sammelbewegung könnte sie unterstützen, damit sie eine Chance haben. Das erste, was dazu nötig ist, ist die Bedeutung von Erst- und Zweitstimme zu vermitteln. Ich habe zur letzten Bundestagswahl versucht als Direktkandidat anzutreten und festgestellt, dass fast alle, mit denen ich gesprochen habe, nicht wissen, welche Bedeutung Erst- und Zweitstimme haben. Unzufriedene Menschen einfach zu sammeln birgt die Gefahr in sich, dass sie von außen zu Kurzschlusshandlungen gebracht werden. Das Konzept der Nachdenkseiten, Aufklärung der Zusammenhänge, scheint mir aussichtsreicher. Es ist ein langer Weg aber Wissen ist wie der Zins, exponentiell. Lineares Denken entmutigt. Wenn sie eine neue Idee morgen zwei weiteren Personen erzählen und die morgen wieder zwei weiteren Personen, wie lange dauert es, bis sie jeden Bundesbürger erreicht haben? Wenn man etwas sammeln sollte, dann nicht Unzufriedenheit, sondern Wissen. Wenn man in einer Exponentialfunktion die Hälfte des Weges geschafft hat, ist man morgen am Ziel. Um zweifelnde Menschen zu mobilisieren, braucht man die Medien und prominente Zugpferde. Wissen verbreitet sich von allein und ist nicht aufhaltbar. Deshalb sollten die Intellektuellen ihre Türme verlassen und statt Fremdwort lastig unter sich zu diskutieren, in Bildern mit dem Volk sprechen.


Mit freundlichen Grüßen


Andreas Teichmann



Montag, September 03, 2018

Chemnitz

Gewalt gibt es nicht erst seit Chemnitz. Sie kommt immer wieder vor. Bei Demos gegen den Nato-Doppelbeschluss, bei anti Atomkraft Demos, Rammstein, Stuttgart 21, Fußball usw.. Gewalt ist Gewalt und es ist egal, ob sie allein oder in der Gruppe ausgeübt wird. Der entscheidende Unterschied ist, was die Medien daraus machen. Jetzt wird gerne Zivilcourage gefordert. Was ist das aber für eine Zivilcourage, die rechte und linke Gruppen aufeinander hetzt und Polizisten als Prügelknaben ausliefert und Steuergelder verschwendet. Was alle vergessen, ist, niemand kommt als Nazi auf die Welt. Kinder sind absolut unvoreingenommen. Wenn sie später gewaltbereit sind, suchen wir den Fehler im Elternhaus. Da liegt er aber nicht allein. Geformt werden die Kinder vor allem in Kindergarten und Schule, also von gesellschaftlich vorgegebenen Rahmenbedingungen. Wenn Kinder gesellschaftlich ausgegrenzt werden, indem man zulässt, dass sie an der Armutsgrenze leben, muss man sich nicht wundern, wenn sie keine wertvollen Mitglieder der Gesellschaft werden. Man schafft diesen Kindern keine Zukunftsperspektive, indem man ihnen die Lüge vom Fachkräftemangel vorbetet. Das, was sie sehen wenn sie groß sind, ist, dass es keine sinnvolle Tätigkeit für sie gibt und jetzt noch Ausländer dazukommen, mit denen sie konkurrieren müssen. Wen wundert es, wenn Schikanen einer Behörde, die über die Gewährung von Sozialleistungen entscheidet, ob ein Kind zur Klassenfahrt kann oder nicht, einen Menschen prägen. Das, was der Heranwachsende hier lernt, ist ganz bestimmt nicht Dankbarkeit. Niemand kommt als „Glatze" auf die Welt und Zivilcourage gegen sie läuft in die falsche Richtung. Wenn Zivilcourage nötig ist, dann dafür, dass es das Wort „unterprivilegiert" nicht mehr gibt. Jeder soll die gleichen Chancen haben, auch Afrikaner. Es gibt keine zwei Klassen. Dass sie entstanden sind, ist Politik. Wenn es also einen Konflikt gibt, dann nicht zwischen Rechts und Links, oder Moslem und Christ, sondern zwischen Bürger und Politik.

Donnerstag, August 30, 2018

KenFM im Gespräch mit: Gerald Hüther ("Mit Freude lernen")

https://www.youtube.com/watch?time_continue=919&v=dzHhHs2bmvg

Wenn Tatsachen und Theorie nicht übereinstimmen haben die Tatsachen eben Pech gehabt



Vor kurzem meldeten die Nachrichten, die Pensionskassen seien in großen Schwierigkeiten. Den Lebensversicherungen geht es genauso. Schuld sei die Niedrigzinsphase. Die Auslaufleistungen schrumpfen immer mehr zusammen. In den fetten Jahren wurden die Gewinne eingestrichen und jetzt sollen die Versicherten das unternehmerische Risiko übernehmen und auf die Überschussbeteiligung verzichten. Warum sind wir aber in dieser prekären Situation? Weil die Zinsen so niedrig sind? Ist billiges Geld denn nicht Motor für die Wirtschaft? Wenn niedrige Zinsen das Wachstum fördern, aber den Sparer um sein Erspartes bringen und hohe Zinsen das Wachstum bremsen, aber dem Sparer sein Erspartes sichern, ist das nicht ein Widerspruch? Bedeutet das, wenn die Zinsen niedrig sind und die Wirtschaft trotzdem nicht wächst, dass wir an der Grenze unserer Leistungsfähigkeit angekommen sind. Wenn ein Essen nicht schmeckt und man hat schon 10 mal Salz zugegeben, kann man so oft man will Pfeffer, Paprika, Kümmel, Piment dazu geben, es bleibt verdorben. Aber man kann nicht mehr genau sagen, was die größte Sauerei angerichtet hat. Jetzt einen Gewürzwissenschaftler anzustellen, der das Essen rettet, hat keinen Sinn. Das einzige, was der kann, ist, erklären, dass es nicht am Koch gelegen hat. So ist es mit unserem Geldsystem. Ein Fehler wird mit weiteren überlagert, das ändert aber nichts an der Situation, es wird nur unübersichtlich. Der Kapitalismus steckt in der Krise. Es wird nur immer weiter gewürzt, dass niemandem klar wird, dass dauerhaftes Wachstum keine Perspektive ist. Mit dem Sieg über den Ostblock hat sich der Kapitalismus einen Markt geschaffen, den er nicht mehr bewältigen kann. Wohlstand durch Wachstum funktioniert nur begrenzt, denn man braucht für den Wohlstand Schuldner und Konsumenten. Wenn die Schuldner die Last des Wohlstands nicht mehr tragen können, gibt es einen Aufstand. Deshalb gab es in der Geschichte regelmäßig Schuldenerlasse. Die Menschen in den Schuldentürmen durften nach Hause und das lange bevor es den Kapitalismus gab. Es liegt also nicht am Kapitalismus, sondern an etwas, was vorige Gesellschaftsformen mit ihm gemeinsam haben. Das gemeinsame ist der Zins, er schafft Eliten und spaltet die Gesellschaft. Der Zins schafft durchaus auch Wohlstand, aber eben nicht gerecht, sondern für wenige besonders viel. Die anderen liefert er den wenigen in unterschiedlicher Stärke aus, aber abhängig sind alle. Wenn das Geldsystem wieder zusammenbricht, Pensionen und Lebensversicherungen nicht mehr auszahlen, aber trotzdem Beiträge verlangen, wenn die Menschen auf die Straße gehen, um zu demonstrieren, wird die heutige Demokratie ihr wahres Gesicht zeigen. Das, was wir brauchen, ist eine internationale Diskussion über eine neue Ausrichtung. Diese muss mit Nachdruck geführt werden, denn es wird keine zweite friedliche Revolution geben. Wohlstand in einem Meer von Elend lässt sich nur mit Gewalt aufrecht erhalten. Unsere Wohlstandsgesellschaft ist keine gelebte Freiheit, sondern Diktatur. Die darunter leiden müssen, werden von Tag zu Tag mehr. Wir wollen eine soziale Gesellschaft, steuern aber immer tiefer in die Diktatur. Noch kann die Diktatur hauptsächlich mit Werbung ausgeübt werden. Das hier Zwang ausgeübt wird, weil sich die Gesellschaft über Besitz definiert, weiß am besten, wer versucht einem 14 jährigen sein altes Handy statt dem neusten anzudrehen. Die Werbung reicht aber nicht mehr, weshalb der Staat uns zu Käufen zwingt, die wir uns nicht leisten können. Von einem Auto wurden wir schon mit Androhung von Gewalt getrennt, das zweite steht bereits an. Wenn es um die Umwelt geht, übt jeder Staat nur Zwang auf die Verbraucher aus, die Produzenten werden verschont wegen der Sicherung von Arbeitsplätzen. „Sozial ist was Arbeit schafft" ist der perverseste Leitfaden heutiger Politik. Damit wäre Krieg das sozialste was es gibt. Davon wird sich jeder Politiker natürlich distanzieren. Bei der Waffenproduktion sieht das schon anders aus, hier darf man schon einmal an die Arbeitsplätze denken. Mit Vernunft hat solche Politik aber nichts zu tun. Es wäre uns wesentlich billiger gekommen, die Bergleute zu Hause zu lassen und einfach weiter zu bezahlen, als Steinkohleabbau zu fördern, um die Arbeitsplätze zu sichern. Diesem System geht es nicht um Arbeitsplätze, sondern um Disziplinierung und darum, eine überfällige Diskussion über die Verteilung von Ressourcen und der Wertschöpfung aus Maschinenarbeit nicht aufkommen zu lassen. Die zwei entscheidenden Denkfehler heutiger Politik sind, von einer Wirtschaft / Gesellschaft auszugehen, die ständig wächst und in der Menschen weiter die Hauptproduktivkraft sind. Beides ist für gesunden Menschenverstand undenkbar. Dieser Markt wird nicht von Angebot und Nachfrage geregelt, sondern vom indirekten und direkten Zwang. Menschen müssen einer Arbeit nachgehen, die gesellschaftlich anerkannt ist. Hinter dieser Anerkennung steht das Kapital. Es steuert damit das Verhältnis von Schuldnern und Konsumenten. Das gefährliche am bedingungslosen Grundeinkommen ist nicht, dass niemand mehr arbeiten wollte, sondern dass ohne Einfluss auf Schuldner und Konsument eine neue Gesellschaft entstehen kann, in der Eliten keine Macht ausüben können. Statt zu helfen, die Menschenrechte von Flüchtlingen zu unterdrücken, sollten wir versuchen, eine neue Ordnung zu gestalten. Die Frage, ob wir an unserer Leistungsfähigkeit angelangt sind, ist eindeutig mit nein zu beantworten. Warum es in den letzten Jahrzehnten keine entscheidenden wissenschaftlichen Entwicklungen gegeben hat, liegt darin begründet, dass sich dadurch gesellschaftliche Widersprüche verschärfen. Die Gesellschaft bringt es nicht fertig, die Vermögensverteilung den Prozessen des Fortschritts anzupassen. Jeder Politiker weiß, warum der Sozialismus ineffektiv war. Was die Effektivität heutiger Verwaltungsbeamter, Versicherungsvertreter, Bankangestellter, Steuerberater, Anwälte, Telefonverkäufer usw. ausmacht, verstehen nur Politiker. Auch wenn sich diese Menschen heute für wichtig halten, unterscheiden sie sich nicht von den ineffizient Beschäftigten der DDR. Überflüssigkeit bringt gesellschaftliche Probleme. Die Lösung des Problems war in der DDR genauso falsch wie heute. Damals wie heute sehen sich die Eliten durch eine nötige Entwicklung in ihrer Existenz bedroht. Sie antworten mit Vertuschung von Problemen, mit Repressalien und Überwachungsstaat.

Gesellschaftliche Widersprüche müssen aber gelöst werden, sonst führen sie zu Gewalt. 1989 hat es keinen Neuanfang gegeben. Die friedliche Revolution blieb friedlich, weil die wahren Eliten nicht angetastet wurden (gib mir die Macht über das Geld und es ist mir egal wer die Gesetze macht). Wir haben nichts neues geschaffen, sondern dem alten die Gelegenheit gegeben, Lösungen vor sich her zu schieben. Die Probleme brechen aber bald hervor. Wie das geschehen wird, kann niemand sagen. Viele versuchen, sich darauf vorzubereiten. Es gibt Anlage Beratungen, wie man sein Geld durch den Systemkollaps rettet. Es werden Dauerlebensmittelpakete verkauft, Bunker gebaut und Waffen angeschafft, um das Überleben im Krisenfall zu sichern. Was aber niemand wirklich betreibt, ist, die Probleme anzusprechen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten, damit es nicht dazu kommt. Statt dessen wird die Krise zum Geschäft. Und da ist die Mehrheit der Menschen nicht davon zu überzeugen, dass der Kapitalismus nicht das beste Wirtschaftsmodell ist. Der Umbau einer Gesellschaft ist vor allem eine geistige Aufgabe, es fehlt aber an der Bereitschaft zu lernen. Das Kapital ist ohne den Menschen wertlos. Selbst wenn es ihn durch technischen Fortschritt nicht mehr für die Produktion braucht, ist er als Konsument unabkömmlich. Damit besitzt der Mensch die Überlegenheit gegenüber dem Kapital. Aber er begreift es nicht. Soziale Strukturen in der Gesellschaft lösen nicht die Konflikte sich widersprechender Interessen. Sie sind nur Zugeständnissen, die gemacht wurden, weil es keinen anderen Ausweg gab. Der Sozialstaat, auf der die Legitimation der Bundesrepublik beruht, war die Antwort auf die DDR. Das kann sich die Bundesrepublik aber nicht mehr leisten, obwohl ihre Wirtschaftskraft doch so viel größer ist als die der DDR. Dass die Loyalität der Bürger davon abhängt, wie Sozialpolitik erfüllt werden kann, wird zum Problem. Deshalb versucht man mit Sport und Werbeaktionen, wie „Du bist Deutschland", den Nationalstaat zu beleben. Wir sollen den Staat nicht als Sozialstaat begreifen, sondern als Vaterland. Wir sollen nicht fordern, sondern fürs Vaterland opfern. Der Sozialstaat wird abgeschafft und wir nennen das Förderung von Eigenverantwortung.

Die soziale Marktwirtschaft ist kein Erfolgsmodell. Sie blutet seit der Wende Stück für Stück aus. Alle Chancen der Wende für etwas neues wurden vergeben. Der Exportweltmeister kann sich nicht nur den Sozialstaat der DDR nicht leisten, er baut trotz steigender Wirtschaftskraft noch ab. Die Frage ist, wie weit kann es gehen? Bargeld ist das einzige Druckmittel, was zwischen unserem Ersparten und Negativzinsen steht. Frei verfügbare, bewegliche Werte sind die einzige Möglichkeit, vor Verfolgung zu fliehen. Noch haben wir keine geheime Staatspolizei. Aber wenn, ist die bargeldlose Gesellschaft ein Horror für jeden, der nicht System konform ist. Das Ziel einer gerechten Gesellschaft gilt als unerreichbar. Wenn man sich aber treiben lässt, findet man sich schnell in einem Alptraum wieder. Das Bild einer Diktatur ist Schwarzmalerei, aber nicht unrealistisch. Es gibt eine Menge neuer Fragen, auf die die Politik nur alte Antworten hat. Das ist nicht besonders förderlich, um Unzufriedenheit zu verhindern und die Menschen vor Bauernfängern zu behüten.Widersprüche sind Triebkraft der Bewegung.

Rechte Gewalt ist Ergebnis falscher Politik und nicht umgekehrt. Sie wird als Bremsklotz instrumentalisiert. In einem waren sich Eliten trotz aller Konkurrenz immer einig: Kommunismus und seine Vorstufen müssen mit allen Mitteln verhindert werden. Die Geheimdienste spielen hier eine große Rolle und müssten eigentlich Elitedienste heißen.





Montag, Juli 16, 2018

Rüstungsausgaben

Der Vorwurf, dass die Europäer sich zu wenig am Sicherheitsbündnis beteiligen würden, ist nicht neu. Als Reagan Präsident wurde, startete die USA ein gewaltiges Aufrüstungsprogramm. 1986 bombardierten die USA Libyen weitgehend ohne europäische Hilfe.

Den Europäern warf man vor, sie führen beim transatlantischen Sicherheitszug mit einem ermäßigten Seniorenticket mit. Seit dieser Zeit können sich die USA ihre Militärausgaben als Schutzmacht der Eliten nicht mehr leisten und versuchen eine Bedrohung aufrecht zu erhalten, um sie den Europäern mit aufzuhalsen. Das Treffen 1986 in Reykjavik hätte sicher nicht stattgefunden, wenn nicht beide Weltmächte in großen finanziellen Schwierigkeiten gesteckt hätten. Abrüstung aus Gründen der Vernunft ist nichts für Amerikaner. Der Amerikaner hat eine andere Mentalität. Soziale Bindungen spielen keine Rolle. An erster Stelle steht die persönliche Freiheit. Probleme werden nur einzeln betrachtet, der große Zusammenhang interessiert ihn nicht, das ist etwas für Philosophen. Was zählt ist Dividende und zwar die von heute und nicht die von morgen. Zu zwischenmenschlichen Beziehungen ist der US Amerikaner kaum im Stande. Es gibt über 50 000 Zwischenfälle mit Waffengebrauch, bei dem Menschen getötet oder verletzt werden. Außerdem gibt es hier auch die größte Anwaltsdichte der Welt. Anwälte genießen ein großes Prestige, während bei uns im Witz zwei Anwälte auf dem Meeresgrund ein guter Anfang sind. Es ist erstaunlich, dass man einen Vielvölkerstaat, der vom Egoismus geprägt ist und zu Gewalt neigt, so lange zusammenhalten kann. In Europa sind die Vielvölkerstaaten zerbrochen. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass der amerikanische Traum, trotz weit verbreitetem Elend, immer noch aufrecht erhalten wird. Jeder kann es schaffen. Die Größe des Landes ist so gewaltig, dass auch heute noch abseits der Highways das Abenteuer beginnt. Zum Traum, man könne als Abenteurer sein Glück machen, kommt noch Hollywood. Die Traumfabrik exportiert aber in die ganze Welt. Das, was wir heute so harmlos als amerikanisieren bezeichnen, ist die Ausbreitung von Egoismus, der die Welt ruiniert. Amerika ist schon lange pleite, konnte aber durch den Dollar seine Inflation exportieren. Hätte man in den 70er Jahren weltweit eine Kryptowährung eingeführt, gäbe es die USA sicher nicht mehr. Der amerikanische Traum ist eine Lüge und wir sollen helfen, diesen Traum aufrecht zu erhalten, in dem wir ein Bündnis mitfinanzieren, das die amerikanische Machtstellung und damit die Schutzmacht der reichen Eliten sichert. In Amerika sterben im Durchschnitt 89 Menschen pro Tag bei Auseinandersetzungen mit Schusswaffen. Das sind in gut 10 Jahren die Zahl toter amerikanischer Soldaten des 2. Weltkrieges. Auf diese Freiheit kann ich gern verzichten. Dass mehr Waffen nicht mehr Sicherheit bringen, sollte der US Amerikaner begreifen können. Dass man in einem Land, in dem Krieg unter den eigenen Bürgern herrscht, eine derartige Angst vor Russen und Terrorismus hat, weil sie die Freiheit bedrohen, ist erstaunlich. Das Erkennen falscher Ideale ist aber wie das Erkennen falscher Freunde, es ist eine schmerzliche Erfahrung, denn die Erkenntnis kommt meist zu spät. Ich wünsche mir die vereinigten Staaten von Europa aber nicht als Schutzmacht reicher Eliten, sondern nach dem Ideal von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.


Samstag, Juni 02, 2018

Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel

Ich habe Angela Merkel geschrieben, weil ich über die weltpolitische Lage besorgt bin. Die meisten Bürger haben allerdings die Meinung, keinen Einfluss zu haben oder sie verlassen sich auf andere, wie z.B. die Nachdenkseiten, die versuchen etwas entgegenzusetzen. Ich bin allerdings der Meinung, dass man sich in einer Demokratie nicht nur bei Wahlen beteiligen muss. Kein Politiker sollte mehr in die Öffentlichkeit gehen können, ohne mit seiner Politik konfrontiert zu werden. Sonnst werden die Parlamentarier behaupten, sie hätten gedacht, im Nahmen des Volkes gehandelt zu haben, wie es auch in der DDR war. Es ist allerhöchste Zeit, friedlichen Widerstand zu leisten. Eine Lampe des Friedens in Händen der Bundeskanzlerin ersetzt nicht die Kerzen in den Händen des Volkes. Was wir erreichen müssen, ist die Solidarität unter den Menschen, sonst sind politische Erfolge unmöglich. Die brauchen wir schnellstmöglich, denn die menschliche Produktivkraft ist dabei, zurückgedrängt zu werden. Dann hat sie der Obrigkeit nichts mehr entgegenzusetzen. Nehmen sie Einfluss, so lange sie es noch gewaltfrei können. Leider denken die Eliten der Welt, ihr Schicksal sei vom Rest der Menschheit abkoppelbar. Das ist es aber nicht. Wir werden gemeinsam leben oder gemeinsam sterben. Zum gemeinsamen Leben bedarf es aber Visionen. Der Ort, um sie zu entwickeln, ist nicht die Politik, sondern die Universitäten voll junger Menschen. Die lernen aber mehr Überholtes, als zu Visionen ermutigt zu werden. In einer Gesellschaft, in der der Produktivfaktor Mensch zurückgedrängt wird, kommt zum Kampf zwischen arm und reich ein Weltverteilungskampf, was Politiker verharmlosend als Wettbewerb bezeichnen. Wenn die noch vorhandene Arbeit zwischen Staaten aufgeteilt werden muss, hat das Folgen für den Frieden. Auf die Effektivität der deutschen Wirtschaft stolz zu sein, ist schamlos. Der Kapitalismus braucht dringend eine Alternative. Diese Alternative ist nötig, um ihn zu bändigen. Überwunden wird er nur schrittweise durch Einsicht und nicht durch Diktatur des Proletariats. Wenn diese Einsicht nicht kommt, haben wir zum nächsten Zusammenbruch des Geldsystems, was diesmal weltweit geschieht und wahrscheinlich alles dagewesene übertreffen wird, einen Rechtsruck, den man jetzt nicht für möglich hält. Sich an Politik zu beteiligen ist keine Frage der Bequemlichkeit, sondern eine Frage von Krieg und Frieden. Je später man handelt, um so weniger Möglichkeiten hat man. Um so teurer wird der Preis, den man zahlen muss, bis hin zum eigenen Leben. Gerechtigkeit wird nicht von Volksvertretern erstritten, sondern von den Betroffenen. Vereinzelung fördert Ungerechtigkeit, Zusammenschlüsse fördern Korruption. Sie können sogar zur Bedrohung werden und eine Diktatur erzeugen. All das wissen wir aus unseren Erfahrungen der Vergangenheit. Ein kurzsichtiges Handeln, das uns selbst schadet, sollte man doch abstellen können. Der eigenen Zukunft gegenüber gleichgültig zu sein ist unentschuldbar.



Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,


dass Politik ein schmutziges Geschäft ist, kommt nicht von mir, sondern von zahlreichen prominenten Persönlichkeiten. Dass Politik immer noch schmutziger werden kann, liegt daran, dass man es geschafft hat, die Bevölkerung jeglicher Illusion zu berauben, daran etwas ändern zu können. Die Alternativlosigkeit wird allseits auch von ihnen verkündet. Es gibt aber immer eine Alternative. Dem durch Zinsen, auf mathematischen Gesetzen beruhenden, sich immer wiederholenden Zusammenbruch des Geldsystems kann auch mit mehr als einer Option begegnet werden. Die erste ist Inflation, die zweite ist eine Währungsreform, die dritte ist Krieg. Alle vernichten einen Teil der Lebensleistung der Bürger. Die vierte ist die Überwindung des Kapitalismus.

Bei den Geldmengen, die von der EZB jedes Jahr in den Markt gepumpt werden, ohne dass eine höhere Inflation erreicht wird oder das Wirtschaftswachstum wesentlich steigt, ist die erste Option gescheitert. Das einzige, was man erreicht hat, ist die Fallhöhe zu erhöhen. Eine umfassende Währungsreform bringt erhebliche Schwierigkeiten, hier Einigkeit zu erzielen, wird unmöglich sein. Negativzinsen sind nicht durchsetzbar, weil die Bürger ihr Geld abheben würden. Dass ein großer Unterschied zwischen Bargeld als gesetzlichem Zahlungsmittel und dem Anspruch auf gesetzliches Zahlungsmittel ( Giralgeld ) besteht, müsste dann schmerzlich erfahren werden. Was bleibt ist Krieg. Er ist im jetzigen System politisch am ungefährlichsten und wird von der Bevölkerung, bei entsprechender medialer Vorbereitung, sogar jubelnd aufgenommen.

Dass die Kriegstreiberei größere Ausmaße angenommen hat, als zu Zeiten des kalten Krieges, ist also kein Zufall. Das Ende des Ostblocks hat den wiederholten Zusammenbruch des Geldsystems noch einmal verschoben. Jetzt ist das Konjunkturprogramm Aufbau Ost aber am Ende. Sozial ist was Arbeit schafft, deshalb „demokratisieren" wir jetzt den nahen Osten ohne jede Gewissensbisse. Die Abwälzung der Lasten eines fehlerhaften Geldsystems, vor allem auf die kleine Leute, ist ein Verbrechen. Es wird aber der Tag kommen, an dem die Bevölkerung die Zusammenhänge begreift. Vor hundert Jahren waren wir schon einmal fast so weit. Silvio Gesell und andere haben die entscheidenden Fehler dieses Systems aufgezeigt. Vielleicht wird noch eine Katastrophe nötig sein, damit die Menschen wieder nachdenken, aber auf die steuern wir ja unaufhaltbar zu. Die Wahrscheinlichkeit, dass jetzt lebende Politiker zur Verantwortung gezogen werden, ist nach meiner Einschätzung sehr hoch. Durch die Globalisierung wird es diesmal auch schwer sich abzusetzen. Das sollten Politiker vielleicht einmal bedenken. Die einzige Möglichkeit, hier heil herauszukommen, ist der weltweite Polizeistaat mit totaler Kontrolle. Der Ausbau der Überwachung und das Bestreben der Bargeldabschaffung zielt in diese Richtung.

Der europäische „Hoffnungsträger" Präsident Macron hält Frankreich mit Ausnahmezustand und Antiterrorgesetz, aber wie lange noch? Macron treibt eine EU für Reiche voran und hofft auf deren Hilfe für Frankreich. Von Reichen gibt es aber keine Hilfe, denn sie verdienen am Elend. Und Solidarität unter den EU Ländern kann er im Kapitalismus nicht im Ernst erhoffen. Wahrscheinlich wird in der EU Frankreich zuerst außer Kontrolle geraten, denn den Franzosen ist die deutsche Unterwürfigkeit fremd. Sollte noch einmal eine friedliche Revolution möglich sein, können Politiker nur hoffen, dass die Grenzen zwischen strafrechtlicher und politischer Verantwortung nicht genauso gehandhabt werden wie im Honecker Prozess. Zum friedlichen Ende ist der Kapitalismus aber sicher nicht fähig. Das war die größte Leistung des Sozialismus und der Grund warum er wiederkommen wird. Leider findet die industrielle Revolution 4.0 zuerst in der Rüstung statt. Das bedeutet, dass der Untergang des Kapitalismus, wenn er zu spät kommt, mehr Blut und Tränen kosten wird und die Nazis und Pinochet übertreffen kann. Die Verantwortung heutiger Politiker ist größer als je zu vor. Ihre Opfer stehen denen der Diktatoren der Geschichte nicht deshalb nach, weil sie es geschafft haben, sich heute ohne jede Konsequenz zur Verletzung des Völkerrechts bekennen zu können, wie es Gerhard Schröder getan hat.

Es ist seit langem Traum eines jeden Untertan, sich mit Unterwürfigkeit in die Obrigkeit zu etablieren. Dieser Traum wird entweder aufgegeben oder die Menschheit wird aussterben. Es ist das Streben nach Macht, was unsere Lebensgrundlage zerstört. Mächtigste Frau der Welt genannt zu werden, ist kein Kompliment, sondern die von Eliten ausgesprochene Bestätigung, gegen das eigene Volk gehandelt zu haben. Ihnen ist es egal wer regiert, denn sie haben die Macht über das Geld. Ihr vor 10 Jahren abgegebenes Versprechen, deutsche Spareinlagen wären sicher, war schon damals nichts wert und ist es heute noch viel weniger. Wenn wir eine Demokratie hätten, müsste die Opposition dagegen vorgehen. Warum das nicht geschieht, hat Robert Michels in seinem ehernen Gesetz der Oligarchie, ebenfalls vor hundert Jahren, beschrieben. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Dieser Satz trifft nicht nur auf die DDR zu. Die Regierung der DDR hatte Orden auf den Augen. Heute gibt es eine regelrechte Auszeichnungsindustrie. Exportüberschüsse, die mehr als alles andere für Unfrieden verantwortlich sind, mit einer Lampe des Friedens auszuzeichnen, mag die handelnde Person bekräftigen so weiter zu machen. Sie wird weiter Waffen in Krisengebiete liefern, die Rüstung vorantreiben und sich an Kriegseinsätzen beteiligen. Ein Orden hat aber noch nie einen Menschen besser gemacht. Orden sind und bleiben die Bestätigung systemkonform zu sein. In einer ungerechten Gesellschaft sind sie deshalb keine Auszeichnung, sondern eine Brandmarkung, die man nicht wieder los wird.



Ihr endtäuschter


Andreas Teichmann

Samstag, April 21, 2018

Erklärung Erich Honeckers am 3.12.1992 vor der 27. Großen Srafkammer beim Landgericht Berlin-Moabit

Meine Damen und Herren!

Ich werde dieser Anklage und diesem Gerichtsverfahren nicht dadurch den Anschein des Rechts verleihen, daß ich mich gegen den offensichtlich unbegründeten Vorwurf des Totschlages verteidige. Verteidigung erübrigt sich auch, weil ich Ihr Urteil nicht mehr erleben werde. Die Strafe, die Sie mir offensichtlich zudenken, wird mich nicht mehr erreichen. Das weiß heute jeder. Ein Prozeß gegen mich ist schon aus diesem Grunde eine Farce. Er ist ein politisches Schauspiel.

Niemand in den alten Bundesländern, einschließlich der Frontstadt Westberlin, hat das Recht, meine Genossen Mitangeklagten, mich, oder irgendeinen anderen Bürger der DDR wegen Handlungen anzuklagen oder gar zu verurteilen, die in Erfüllung staatlicher Aufgaben der DDR begangen worden sind.

Wenn ich hier spreche, so spreche ich allein um Zeugnis abzulegen für die Ideen des Sozialismus, für eine gerechte politische und moralische Beurteilung der von mehr als einhundert Staaten völkerrechtlich anerkannten Deutschen Demokratischen Republik. Diese jetzt von der BRD als "Unrechtsstaat" apostrophierte Republik war ein Mitglied des Weltsicherheitsrates, stellte zeitweise den Vorsitzenden dieses Rates und stellte auch einmal den Vorsitzenden der UN-Vollversammlung.

Die gerechte politische und moralische Beurteilung der DDR erwarte ich nicht von diesem Prozeß und diesem Gericht. Ich nehme jedoch die Gelegenheit dieses Politschauspiels wahr, um meinen Standpunkt meinen Mitbürgern zur Kenntnis zu geben.

Meine Situation in diesem Prozeß ist nicht ungewöhnlich. Der deutsche Rechtsstaat hat schon Karl Marx, August Bebel, Karl Liebknecht und viele andere Sozialisten und Kommunisten angeklagt und verurteilt. Das Dritte Reich hat dies mit den aus dem Rechtsstaat der Weimarer Republik übernommenen Richtern in vielen Prozessen fortgesetzt, von denen ich selbst einen als Angeklagter erlebt habe. Nach der Zerschlagung des deutschen Faschismus und des Hitlerstaates brauchte die BRD nicht nach neuen Staatsanwälten und Richtern zu suchen, um erneut Kommunisten massenhaft strafrechtlich zu verfolgen, ihnen mit Hilfe der Arbeitsgerichte Arbeit und Brot zu nehmen und sie mit Hilfe der Verwaltungsgerichte aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen oder sie auf andere Weise zu verfolgen. Nun geschieht uns das, was unseren Genossen in Westdeutschland schon in den 50er Jahren geschah. Es ist seit ca. 190 Jahren immer die gleiche Willkür. Der Rechtsstaat BRD ist kein Staat des Rechts, sondern ein Staat der Rechten.

Für diesen Prozeß wie für andere Prozesse, in denen andere DDR Bürger wegen ihrer "Systemnähe" vor Straf-, Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichten verfolgt werden, muß ein Argument herhalten. Die Politiker und Juristen sagen, wir müssen die Kommunisten verurteilen, weil wir die Nazis nicht verurteilt haben. Wir müssen diesmal die Vergangenheit aufarbeiten. Das leuchtet vielen ein, ist aber ein Scheinargument. Die Wahrheit ist, daß die westdeutsche Justiz die Nazis nicht bestrafen konnte, weil sich Richter und Staatsanwälte nicht selbst bestrafen konnten. Die Wahrheit ist, daß die bundesdeutsche Justiz ihr derzeitiges Niveau, wie immer man es beurteilt, den übernommenen Nazis verdankt. Die Wahrheit ist, daß die Kommunisten, die DDR-Bürger heute aus den gleichen Gründen verfolgt werden, aus denen sie in Deutschland schon immer verfolgt wurden. Nur in den 40 Jahren der Existenz der DDR war das umgekehrt. Dieses Versäumnis muß nun "aufgearbeitet" werden. Das alles ist natürlich rechtsstaatlich. Mit Politik hat es nicht das geringste zu tun.

Die rührenden Juristen dieses Landes, gleich ob Angehörige der Regierungsparteien oder der SPD, erklären beschwörend unser Prozeß sei ein ganz normales Strafverfahren und kein politischer Prozeß, kein Schauprozeß. Man sperrt die Mitglieder eines der höchsten Staatsorgene des Nachbarstaates ein und sagt, das hat mit Politik nichts zu tun. Man wirft den Generalen eines gegnerischen Militärbündnisses militärische Entscheidungen vor und sagt, das hat mit Politik nichts zu tun. Man nennt die heute Verbrecher, die man gestern ehrenvoll als Staatsgäste und Partner in dem gemeinsamen Bemühen, daß nie wieder von deutschem Boden ein Krieg ausgeht, begrüßt hat. Auch das soll mit Politik nichts zu tun haben.

Man klagt Kommunisten an, die, seit sie auf der politischen Bühne erschienen sind, immer verfolgt wurden, aber heute in der BRD hat das mit Politik nichts zu tun.

Für mich und, wie ich glaube, für jeden Unvoreingenommenen liegt auf der Hand: Dieser Prozeß ist so politisch, wie ein Prozeß gegen die politische und militärische Führung der DDR nur sein kann. Wer das leugnet, der irrt nicht, sondern der lügt. Er lügt, um das Volk ein weiteres Mal zu betrügen. Mit diesem Prozeß wird das getan, was man uns vorwirft. Man entledigt sich der politischen Gegner mit den Mitteln des Strafrechts, aber natürlich ganz rechtsstaatlich.

Auch andere Umstände lassen unübersehbar erkennen, daß mit dem Prozeß politische Ziele verfolgt werden. Warum war der Bundeskanzler, war Herr Kinkel, der frühere Geheimdienstchef, spätere Justizminister und noch spätere Außenminister der BRD, so darauf aus, mich, koste es, was es wolle, nach Deutschland zurückzuholen und wieder nach Moabit zu bringen, wo ich unter Hitler schon einmal war? Warum ließ mich der Bundeskanzler erst nach Moskau fliegen, um dann Moskau und Chile unter Druck zu setzen, mich entgegen jedem Völkerrecht auszuliefern? Warum mußten russische Ärzte die richtige Diagnose, die sie auf Anhieb gestellt hatten, verfälschen? Warum führt man mich und meine Genossen, denen es gesundheitlich nicht viel besser geht als mir, dem Volke vor wie einst die römischen Cäsaren ihre gefangenen Gegner vorführten?

Ich weiß nicht, ob das alles noch rational zu erklären ist. Vielleicht bewahrheitet sich hier das alte Wort: Wen Gott vernichten will, den schlägt er zuvor mit Blindheit. Es ist doch wohl jedem klar, daß alle diejenigen Politiker, die sich einst um eine Audienz bei mir bemühten, und die sich freuten, mich bei sich begrüßen zu dürfen, von diesem Prozeß nicht unbeschadet bleiben. Daß an der Mauer Menschen erschossen wurden, daß ich der Vorsitzende des Nationalen Verteidigungsrates, der Generalsekretär, der Vorsitzende des Staatsrates der DDR war, der für diese Mauer als höchster lebender Politiker die größte Verantwortung trug, wußte jedes Kind in Deutschland und darüber hinaus. Es gibt demnach nur zwei Möglichkeiten: Entweder haben die Herren Politiker der BRD bewußt, freiwillig und sogar begierig Umgang mit einem Totschläger gesucht oder sie lassen jetzt bewußt und genußvoll zu, daß Unschuldige des Totschlags bezichtigt werden. Keine dieser beiden Möglichkeiten wird Ihnen zur Ehre gereichen. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Wer dieses Dilemma in Kauf nimmt, so oder so ein Mensch ohne Charakter zu sein, ist entweder blind oder verfolgt ein Ziel, das ihm mehr gilt als die Bewahrung seiner Ehre.

Nehmen wir an, daß weder Herr Kohl noch Herr Kinkel noch all die anderen Herren Ministerpräsidenten und Parteiführer der Bundesrepublik Deutschland blind sind (was ich dennoch nicht ausschließen kann), dann bleibt als politisches Ziel dieses Prozesses nur die Absicht, die DDR und damit den Sozialismus in Deutschland total zu diskreditieren. Die Niederlage der DDR und des Sozialismus in Deutschland und in Europa allein genügt ihnen offenbar nicht. Es soll alles ausgerottet werden, was diese Epoche, in der Arbeiter und Bauern regierten, in einem anderen als furchtbaren, verbrecherischen Licht erscheinen läßt. Total sollen der Sieg der Marktwirtschaft (wie man den Kapitalismus heute euphemistisch nennt) und die Niederlage des Sozialismus sein. Man will, wie es Hitler einst vor Stalingrad sagte, "daß dieser Feind sich nie mehr erheben wird". Die deutschen Kapitalisten hatten eben immer schon einen Hang zum Totalen.

Dieses Ziel des Prozesses, den totgesagten Sozialismus noch einmal zu töten, offenbart, wie Herr Kohl, wie Regierung und Opposition der BRD die Lage einschätzen. Der Kapitalismus hat sich ökonomisch genauso totgesiegt wie sich Hitler einst militärisch totgesiegt hat. Der Kapitalismus ist weltweit in eine ausweglose Lage geraten. Er hat nur noch die Wahl zwischen dem Untergang in einem ökologischen und sozialen Chaos und der Aufgabe des Privateigentums an Produktionsmitteln, d. h. dem Sozialismus. Beides bedeutet sein Ende. Nur der Sozialismus erscheint den Herrschenden der Bundesrepublik Deutschland offenbar als die akutere Gefahr. Dem soll dieser Prozeß genauso vorbeugen, wie der ganze Feldzug gegen das Andenken an die untergegangene DDR, wie deren Stigmatisierung als "Unrechtsstaat".

Der unnatürliche Tod jedes Menschen in unserem Land hat uns immer bedrückt. Der Tod an der Mauer hat uns nicht nur menschlich betroffen, sondern auch politisch geschädigt. Vor allen anderen trage ich seit Mai 1971 die Hauptlast der politischen Verantwortung dafür, daß auf denjenigen, der die Grenze zwischen der DDR und der BRD, zwischen Warschauer Vertrag und NATO, ohne Genehmigung überschreiten wollte, unter den Bedingungen der Schußwaffengebrauchsbestimmung geschossen wurde. Das ist sicher eine schwere Verantwortung. Ich werde später noch darlegen, warum ich sie auf mich genommen habe. Hier, bei der Bestimmung des politischen Ziels dieses Prozesses, komme ich jedoch nicht umhin, auch festzustellen, mit welchen Mitteln das Prozeßziel Verunglimpfung der DDR erreicht werden soll. Dieses Mittel sind die Toten an der Mauer. Sie sollen und werden diesen Prozeß wie schon vorangegangene Prozesse medienwirksam gestalten. Es fehlen dabei die ermordeten Grenzsoldaten der DDR. Wir und vor allem Sie haben bereits erlebt, wie ohne Rücksicht auf Pietät und Anstand die Bilder der Toten vermarktet wurden. Damit soll Politik gemacht und Stimmung erzeugt werden. Jeder Tote wird so gebraucht, richtiger mißbraucht, im Kampf der Unternehmer um den Erhalt ihres kapitalistischen Eigentums. Denn um nichts anderes geht es bei dem Kampf gegen den Sozialismus. Die Toten sollen die Unmenschlichkeit der DDR und des Sozialismus beweisen und von der Misere der Gegenwart und den Opfern der sozialen Marktwirtschaft ablenken. Das alles geschieht demokratisch, rechtsstaatlich, christlich, human und zum Wohle des deutschen Volkes. Armes Deutschland.

Nun zur Sache selbst. Die Staatsanwälte der Frontstadt klagen uns als gemeine Kriminelle, als Totschläger an. Da wir nun offensichtlich keinen der 68 Menschen, deren Tod uns in der Anklage vorgeworfen wird, persönlich totgeschlagen haben, da wir auch deren Tötung ebenso offensichtlich nicht vorher befohlen oder sonst veranlaßt haben, wirft mir die Anklage auf Seite 9 wörtlich vor:

"… als Sekretär des NVR und Sekretär für Sicherheitsfragen beim Zentralkomitee der SED (angeordnet zu haben), die Grenzanlagen um Berlin (West) und die Sperranlagen zur Bundesrepublik Deutschland auszubauen, um ein Passieren unmöglich zu machen."

Ferner wirft mir die Anklage vor, in 17 Sitzungen des NVA vom 29.11.1961 bis 1.7.1983 an Beschlüssen teilgenommen zu haben,

weitere Drahtminensperren zu errichten (wobei das Wort "weitere" erkennen läßt, daß die Streitkräfte der UdSSR vorher schon solche Sperren errichtet hatten) das Grenzsicherungssystem zu verbessern, die Schießausbildung der Grenzsoldaten zu verbessern Grenzdurchbrüche nicht zuzulassen am 3.5.1974 persönlich erklärt zu haben, von der Schußwaffe muß rücksichtslos Gebrauch gemacht werden, was im übrigen nicht zutrifft und dem Entwurf des am 1. Mai 1982 in Kraft getretenen Grenzgesetzes zugestimmt zu haben. Die Vorwürfe gegen mich bzw. gegen uns richten sich also gegen Beschlüsse des NVR, gegen Beschlüsse eines verfassungsmäßigen Organs der DDR. Gegenstand des Verfahrens ist somit die Politik der DDR, das Bemühen des NVR die DDR als Staat zu verteidigen und zu erhalten. Diese Politik soll durch dieses Verfahren kriminalisiert werden. Damit soll die DDR als "Unrechtsstaat" gebrandmarkt und alle, die ihr dienten, zu Verbrechern gestempelt werden. Die Verfolgung von zehntausenden und unter Umständen hunderttausenden DDR-Bürgern, von denen die Staatsanwaltschaft jetzt schon spricht, ist das Ziel dieses Verfahrens, das durch "Pilotverfahren" gegen Grenzsoldaten vorbereitet sowie von unzähligen die DDR-Bürger diskriminierenden anderen Gerichtsverfahren vor Zivil-, Sozial-, Arbeits- und Verwaltungsgerichten und von zahlreichen Verwaltungsakten begleitet wird. Es geht also nicht um mich oder um uns, die wir in diesem Prozeß angeklagt sind. Es geht um viel mehr. Es geht um die Zukunft Deutschlands, Europas, ja der Welt, die mit der Beendigung des Kalten Krieges, mit dem neuen Denken so glücklich zu beginnen schien. Hier wird nicht nur der Kalte Krieg fortgesetzt, hier soll ein Grundstein für ein Europa der Reichen gelegt werden. Die Idee der sozialen Gerechtigkeit soll wieder einmal endgültig erstickt werden. Unsere Brandmarkung als Totschläger soll dazu ein Mittel sein.

Ich bin der letzte, der gegen sittliche und rechtliche Maßstäbe zur Be- oder auch Verurteilung von Politikern ist. Nur müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:

Die Maßstäbe müssen exakt vorher formuliert sein. Sie müssen für alle Politiker gleichermaßen gelten. Ein Überparteiliches Gericht, also ein Gericht, das weder mit Freunden noch Feinden der Angeklagten besetzt ist, muß entscheiden. Mir scheint, daß alles dies einerseits selbstverständlich, andererseits aber in der heutigen Welt noch nicht machbar ist. Wenn sie heute dennoch über uns zu Gericht sitzen, so tun Sie das als Gericht der Sieger über uns Besiegte. Dies ist ein Ausdruck der realen Machtverhältnisse, aber nicht ein Akt, der irgendeinen Anspruch auf Geltung vor überpositivem Recht oder überhaupt Recht für sich beanspruchen kann.

Das allein könnte schon genügen, um darzulegen, daß die Anklage ein Unrechtsakt ist. Doch da wir die Auseinandersetzung auch im Detail nicht scheuen, will ich im einzelnen darlegen, was die Anklage, sei es aus böser Absicht, sei es aus Verblendung nicht darlegt.

Wie bereits zitiert, beginnt die Anklage die chronologische Aufzählung der Vorwürfe gegen uns mit den Worten:

"Am 12. August 1961 ordnete der Angeschuldigte Honecker als Sekretär des NVR und Sekretär für Sicherheitsfragen beim Zentralkomitee der SED an, die Grenzanlagen um Berlin (West) und die Sperranlagen zur Bundesrepublik Deutschland auszubauen, um ein Passieren unmöglich zu machen."

Diese historische Sicht der Dinge spricht für sich. Der Sekretär für Sicherheitsfragen des ZK der SED ordnete 1961 ein welthistorisches Ereignis an. Das übertrifft noch die Selbstironie der DDR-Bürger, die die DDR als die größte DDR der Welt bezeichneten. Wenn auch heute Enno von Löwenstein die DDR zu einem "großen Land" machen will, um den Sieg der BRD entsprechend gewichtiger darstellen zu können, so versucht doch nicht einmal dieser Rechtsaußen des politischen deutschen Journalismus die DDR zur Weltmacht hochzustilisieren. Das bleibt der "objektivsten Behörde der Welt", der Staatsanwaltschaft, vorbehalten. Jeder macht sich vor der Geschichte so lächerlich, wie er will und kann. Wahr ist, daß der Bau der Mauer auf einer Sitzung der Staaten des Warschauer Vertrages am 05.08.1961 in Moskau beschlossen wurde. In diesem Bündnis sozialistischer Staaten war die DDR ein wichtiges Glied, aber nicht die Führungsmacht. Dies dürfte gerichtsbekannt sein und braucht wohl nicht bewiesen zu werden.

Da wir – wie ich schon sagte – offensichtlich niemand persönlich totgeschlagen noch den Totschlag eines Menschen unmittelbar befohlen haben, wird der Bau der Mauer, ihre Aufrechterhaltung und die Durchsetzung des Verbots, die DDR ohne staatliche Genehmigung zu verlassen, als Tötungshandlung angesehen. Mit Politik soll das alles nichts zu tun haben. Die deutsche Jurisprudenz macht das möglich. Nur vor der Geschichte und dem gesunden Menschenverstand wird sie damit nicht bestehen. Sie wird nur ein weiteres Mal demonstrieren, woher sie kommt, wes Geistes Kind sie ist und wohin Deutschland zu gehen im Begriffe steht.

Wir alle, die wir in den Staaten des Warschauer Vertrages damals Verantwortung trugen, trafen diese politische Entscheidung gemeinsam.

Ich sage das nicht, um mich zu entlasten und die Verantwortung auf andere abzuwälzen; ich sage es nur, weil es so und nicht anders war, und ich stehe dazu, daß diese Entscheidung damals, 1961, richtig war und richtig blieb, bis die Konfrontation zwischen den USA und der UdSSR beendet war. Eben diese politische Entscheidung und die Überzeugungen, die ihr zugrunde liegen, sind der Gegenstand dieses Prozesses. Man muß schon blind sein oder bewußt vor den Geschehnissen der Vergangenheit die Augen verschließen, um diesen Prozeß nicht als politischen Prozeß der Sieger über die Besiegten zu erkennen, um nicht zu erkennen, daß er eine politisch motivierte Entstellung der Geschichte bedeutet.

Wenn Sie diese politische Entscheidung für falsch halten und mir und meinen Genossen die Toten an der Mauer zum strafrechtlichen Vorwurf machen, dann sage ich Ihnen, die Entscheidung, die Sie für richtig halten, hätte Tausende oder Millionen Tote zur Folge gehabt. Das war und das ist meine Überzeugung und, wie ich annehme, auch die Überzeugung meiner Genossen. Wegen dieser politischen Überzeugung stehen wir hier vor Ihnen. Und wegen Ihrer andersartigen politischen Überzeugung werden Sie uns verurteilen.

Wie und warum es zum Bau der Mauer gekommen ist, interessiert die Staatsanwaltschaft nicht. Kein Wort steht darüber in der Anklage. Die Ursachen und Bedingungen werden unterschlagen, die Kette der historischen Ereignisse wird willkürlich zerrissen. Erich Honecker hat die Mauer gebaut und aufrechterhalten. Basta. So einfach vermag der bundesdeutsche Jurist die Geschichte zu sehen und darzustellen. Hauptsache, der Kommunist wird zum Kriminellen gestempelt und als solcher verurteilt. Dabei kann doch jeder Deutsche wissen, wie es zur Mauer kam und warum dort geschossen wurde. Da die Anklage so tut, als sei es dem Sozialismus eigen, Mauern zu bauen und daran Menschen erschießen zu lassen, und als trügen solche "verbrecherischen" Einzelpersonen wie ich und meine Genossen dafür die Verantwortung, muß ich, ohne Historiker zu sein, die Geschichte, die zur Mauer führte, rekapitulieren.

Der Ursprung liegt weit zurück. Er beginnt mit der Entstehung des Kapitalismus und des Proletariats. Der unmittelbare Beginn des Elends der deutschen Geschichte der Neuzeit ist das Jahr 1933. 1933 haben bekanntlich sehr viele Deutsche in freien Wahlen die NSDAP gewählt und der Reichspräsident Hindenburg, der schon 1932 ebenfalls frei gewählt worden war, hat Adolf Hitler dann ganz demokratisch zum Reichskanzler berufen. Anschließend haben die politischen Vorläufer unserer etablierten Parteien mit Ausnahme der SPD dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt, das Hitler diktatorische Vollmachten verlieh. Nur die Kommunisten hatten vor den genannten Wahlen gesagt: "Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg." Bei der Abstimmung zum Ermächtigungsgesetz waren die kommunistischen Abgeordneten bereits aus dem Reichstag entfernt. Viele Kommunisten waren inhaftiert oder lebten illegal. Schon damals begann mit dem Verbot der Kommunisten der Untergang der Demokratie in Deutschland.

Kaum war Hitler Reichskanzler erlebte Deutschland sein erstes Wirtschaftswunder. Die Arbeitslosigkeit wurde überwunden, die Anrechtscheine auf Volkswagen wurden verkauft, die kochende Volksseele führte zur Vertreibung und Ermordung der Juden. Das deutsche Volk war in seiner Mehrheit glücklich und zufrieden.

Als der zweite Weltkrieg ausgebrochen war und die Fanfaren die Sie in den Blitzkriegen gegen Polen, Norwegen, Dänemark, Belgien, Holland, Luxemburg, Frankreich, Jugoslawien und Griechenland vermeldeten, kannte die Begeisterung keine Grenzen. Die Herzen fast aller Deutschen schlugen für ihren Kanzler, für den größten Führer aller Zeiten. Kaum einer dachte daran, daß das Tausendjährige Reich nur zwölf Jahre bestehen würde.

Nachdem 1945 alles in Scherben lag, gehörte nicht die ganze Welt Deutschland (wie es in einem bekannten Nazilied vorausgesungen wurde), sondern Deutschland gehörte den Alliierten. Deutschland war in vier Zonen geteilt. Freizügigkeit gab es nicht. Dieses Menschenrecht galt damals bei den Alliierten noch nicht. Es galt nicht einmal für die deutschen Emigranten, die wie Gerhart Eisler aus den USA nach Deutschland zurückkehren wollten.

In den USA gab es damals Pläne (z. H. den Morgenthauplan), Deutschland für dauernd in mehrere Staaten aufzuteilen. Diese Pläne gaben Stalin Veranlassung zu seinem oft zitierten Satz: "Die Hitler kommen und gehen, das deutsche Volk und der deutsche Staat bleiben." Die damals von der UdSSR angestrebte Erhaltung der Einheit Deutschlands kam jedoch nicht zustande. Deutschland wurde im Ergebnis des 1947 von den USA ausgerufenen Kalten Krieges auf dem Wege über die Bildung der Bizone, der Trizone, die separate Währungsreform und schließlich die Bildung der Bundesrepublik im Mai 1949 für lange Zeit zweigeteilt. Diese Teilung war, wie die zeitliche Abfolge beweist, nicht das Werk der Kommunisten, sondern das Werk der westlichen Alliierten und Konrad Adenauers. Die Bildung der DDR war eine zeitliche und logische Folge der Bildung der BRD. Nunmehr existierten zwei deutsche Staaten nebeneinander. Die BRD war jedoch nicht gewillt, die DDR anzuerkennen und mit ihr friedlich zu leben. Sie erhob vielmehr für ganz Deutschland und alle Deutschen den Alleinvertretungsanspruch. Sie verhängte mit Hilfe ihrer Verbündeten über die DDR ein Wirtschaftsembargo und versuchte so, die DDR wirtschaftlich und politisch zu isolieren. Es war eine Politik der nichtkriegerischen Aggression, die die BRD gegen die DDR führte. Es war dies die Form des kalten Krieges auf deutschem Boden. Es war diese Politik, die zur Mauer führte.

Nachdem die BRD der NATO beigetreten war, schloß sich die DDR dem Warschauer Vertrag an. Damit standen sich beide deutschen Staaten als Mitglieder feindlicher Militärbündnisse feindlich gegenüber.

Die BRD war der DDR nach der Zahl ihrer Bevölkerung, nach ihrer Wirtschaftskraft und nach ihren politischen und ökonomischen Verbindungen in vielfacher Hinsicht überlegen. Die BRD hatte durch den Marshallplan und durch geringere Reparationsleistungen weniger an den Kriegsfolgen zu tragen. Sie hatte mehr Naturreichtümer und ein größeres Territorium. Sie nutzte diese vielfache Überlegenheit gegenüber der DDR in jeder Hinsicht, besonders aber dadurch aus, daß sie DDR-Bürgern materielle Vorteile versprach, wenn sie ihr Land verließen. Viele DDR-Bürger erlagen dieser Versuchung und taten das, was die Politiker der BRD von ihnen erwarteten: Sie "stimmten mit den Füßen ab". Der wirtschaftliche Erfolg verlockte die Deutschen nach 1945 nicht weniger, als er sie nach 1933 verlockt hatte.

Die DDR und die mit ihr verbündeten Staaten des Warschauer Vertrages gerieten in eine schwierige Situation. Die Politik des roll back schien in Deutschland zum Erfolg zu führen. Die NATO schickte sich an, ihren Einflußbereich bis an die Oder zu erweitern.

Durch diese Politik entstand 1961 eine Spannungssituation in Deutschland, die den Weltfrieden gefährdete. Die Menschheit stand am Rande eines Atomkrieges. In dieser Situation also beschlossen die Staaten des Warschauer Vertrages den Bau der Mauer. Niemand faßte diesen Entschluß leichten Herzens. Er trennte nicht nur Familien, sondern er war auch das Zeichen einer politischen und wirtschaftlichen Schwäche des Warschauer Vertrages gegenüber der NATO, die nur mit militärischen Mitteln ausgeglichen werden konnte.

Bedeutende Politiker außerhalb Deutschlands, aber auch in der BRD, erkannten nach 1961 an, daß der Bau der Mauer die Weltlage entspannt hatte.

Franz Josef Strauß schrieb in seinen Erinnerungen: "Mit dem Bau der Mauer war die Krise, wenn auch in einer für die Deutschen unerfreulichen Weise, nicht nur aufgehoben, sondern eigentlich auch abgeschlossen." (Seite 390) Vorher hat er über den geplanten Atombombenabwurf im Gebiet der DDR berichtet. (Seite 389)

Aus meiner Sicht hätte es weder den Grundlagenvertrag noch Helsinki, noch die Einheit Deutschlands gegeben, wenn damals die Mauer nicht gebaut oder wenn sie vor der Beendigung des Kalten Krieges abgerissen worden wäre. Deswegen meine ich, daß ich genauso wie meine Genossen, nicht nur keine juristische, sondern auch keine politische und keine moralische Schuld auf mich geladen habe, als ich zur Mauer ja sagte und dabei blieb.

Es ist in der Geschichte Deutschlands sicher nur am Rande zu vermerken, daß jetzt viele Deutsche sowohl aus dem Westen wie aus dem Osten sich die Mauer wiederwünschen.

Fragen muß man aber auch, was geschehen wäre, wenn wir uns so verhalten hätten, wie das die Anklage als selbstverständlich vorausgesetzt. Das heißt, wenn wir die Mauer nicht gebaut, die Ausreise aus der DDR jedem zugebilligt und damit freiwillig die DDR schon 1961 aufgegeben hätten. Man muß nicht spekulieren, um sich die Ergebnisse einer solchen Politik vorzustellen. Man muß nur wissen, was 1956 in Ungarn und 1968 in der CSSR geschehen ist. Genauso wie dort hätten auch 1961 in der DDR die ohnehin anwesenden sowjetischen Truppen interveniert. Auch in Polen rief 1981 Jaruszelskl das Kriegsrecht aus, um eine solche Intervention zu verhindern.

Eine derartige Zuspitzung der Ereignisse, wie sie von der Anklage als selbstverständliche politische, moralische und juristische Aktion von uns verlangt wird, hätte das Risiko eines dritten Weltkrieges bedeutet. Dieses Risiko wollten, konnten und durften wir nicht eingehen. Wenn das in Ihren Augen ein Verbrechen ist, so werden Sie sich vor der Geschichte mit Ihrem Urteil selbst richten. Das wäre an sich nicht bedeutungsvoll. Bedeutungsvoll ist jedoch, daß Ihr Urteil ein Signal sein wird, das die alten Fronten erneut aufreißt, statt sie zu schließen. Sie demonstrieren damit im Angesicht eines drohenden ökologischen Kollapses der Welt die alte Klassenkampfstrategie der 30er Jahre und die Machtpolitik, die Deutschland seit dem eisernen Kanzler berühmt gemacht hat.

Wenn Sie uns wegen unserer politischen Entscheidung von 1961 bis 1989 verurteilen, und ich gehe davon aus, daß Sie das tun werden, so fallen Sie Ihr Urteil nicht nur ohne rechtliche Grundlage, nicht nur als ein parteiisches Gericht, sondern auch unter völliger Außerachtlassung der politischen Gepflogenheiten und Verhaltensweisen derjenigen Länder, die als Rechtsstaaten Ihren höchsten Respekt genießen. Ich will und kann in diesem Zusammenhang nicht alle Fälle aufzählen, in denen politische Entscheidungen in diesen 28 Jahren Menschenleben gefordert haben, weil ich Ihre Zeit und Ihre Sensibilität nicht überstrapazieren will. Auch kann ich mich nicht mehr an alles erinnern. Nur folgendes will ich erwähnen:

1964 entschied der damalige Präsident der USA, Kennedy, Truppen nach Vietnam zu entsenden, um an Stelle der besiegten Franzosen bis 1973 Krieg gegen die um ihre Freiheit, ihre Unabhängigkeit und ihr Selbstbestimmungsrecht kämpfenden Vietnamesen zu fuhren. Diese Entscheidung des Präsidenten der USA, die eine eklatante Verletzung der Menschenrechte und des Völkerrechts beinhaltete, wurde von der Regierung der BRD in keiner Form kritisiert. Die Präsidenten der USA Kennedy, Johnson und Nixon wurden vor kein Gericht gestellt, auf ihre Ehre fiel, zumindest wegen dieses Krieges, kein Schatten. Dabei hatte kein US-amerikanischer und kein vietnamesischer Soldat die Freiheit, zu entscheiden, ob er sich wegen dieses ungerechten Krieges in Lebensgefahr begeben will oder nicht.

1982 setzte England Truppen gegen Argentinien ein, um die Falklandinseln als Kolonie für das Empire zu erhalten. Die "Eiserne Lady" sicherte sich damit einen Wahlsieg, und ihr Ansehen wurde dadurch, auch nachdem sie abgewählt worden ist, nicht beschädigt. Von Totschlag keine Rede.

1983 befahl der Präsident Reagan seinen Truppen die Besetzung von Grenada. Niemand genießt in Deutschland höheres Ansehen als dieser Präsident der USA. Keine Frage, daß die Opfer dieses Unternehmens rechtens zu Tode gekommen sind.

1986 ließ Reagan die Städte Tripolis und Bengasi in einer Strafaktion bombardieren, ohne zu fragen, ob seine Bomben Schuldige oder Unschuldige trafen.

1989 ordnete Präsident Bush an, General Noriega aus Panama mit Waffengewalt zu entführen. Tausende unschuldige Panamesen wurden dabei getötet. Wiederum fiel auf den Präsidenten der USA kein Makel, geschweige denn, daß er wegen Totschlags oder Mordes angeklagt wurde.

Die Aufzählung ließe sich beliebig erweitern. Von dem Verhalten Englands in Irland überhaupt nur zu sprechen, dürfte als unanständig gelten.

Nach dem, was die Waffen der Bundesrepublik Deutschland unter türkischen Kurden oder der schwarzen Bevölkerung Südafrikas anrichten, werden zwar rethorische Fragen gestellt, doch niemand zählt die Toten, und niemand nennt die Schuldigen.

Ich habe hier nur die als besonders rechtsstaatlich anerkannten Staaten mit nur einigen ihrer politischen Entscheidungen aufgezählt. Jeder kann vergleichen, wie sich diese Entscheidungen zu der Entscheidung verhalten, an der Grenze des Warschauer Vertrages und der NATO eine Mauer zu errichten.

Sie werden sagen, daß Sie über die Handlungen in anderen Ländern nicht entscheiden können und dürfen. Sie werden sagen, daß Sie das alles nicht interessiert. Doch ich meine, das Urteil der Geschichte über die DDR kann nicht gefallt werden, ohne daß die Ereignisse Berücksichtigung finden, die auch in der Zeit der Existenz der DDR auf Grund der Auseinandersetzung zwischen den beiden Blöcken in anderen Ländern abspielten. Ich meine darüber hinaus auch, daß politische Handlungen nur aus dem Geist ihrer Zeit zu beurteilen sind. Wenn Sie die Augen davor verschließen, was von 1961 bis 1989 in der Welt außerhalb Deutschlands passierte, können Sie kein gerechtes Urteil fallen.

Auch wenn Sie sich auf Deutschland beschränken und die politischen Entscheidungen in beiden deutschen Staaten einander gegenüberstellen, würde eine ehrliche und objektive Bilanz zugunsten der DDR ausfallen. Wer seinem Volk das Recht auf Arbeit und das Recht auf Wohnung verweigert, wie das in der BRD der Fall ist, nimmt in Kauf, daß zahlreichen Menschen ihre Existenz genommen wird und sie keinen anderen Ausweg sehen als aus dem Leben zu scheiden. Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Drogenmißbrauch, Beschaffungskriminalität, Kriminalität überhaupt sind alle das Ergebnis der politischen Entscheidung für die soziale Marktwirtschaft. Selbst anscheinend so politisch neutrale Entscheidungen wie die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen sind Folgen einer Staatsverfassung, in der nicht die freigewählten Politiker, sondern die nichtgewählten Wirtschaftsbosse das Sagen haben. Wenn die Abteilung Regierungskriminalität des Generalstaatsanwalts beim Kammergericht ihre Aufmerksamkeit einmal hierauf richten würde, hätte ich bald die Möglichkeit, den Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland wieder wie früher die Hand zu schütteln. – Diesmal allerdings in Moabit.- Das wird natürlich nicht geschehen, weil die Toten der Marktwirtschaft alle rechtens ihr Leben verloren.

Ich bin nicht derjenige, der die Bilanz der Geschichte der DDR ziehen kann. Die Zeit dafür ist noch nicht gekommen. Die Bilanz wird später und von anderen gezogen werden.

Ich habe für die DDR gelebt. Ich habe insbesondere seit Mai 1971 einen beträchtlichen Teil der Verantwortung für ihre Geschichte getragen. Ich bin also befangen und darüber hinaus durch Alter und Krankheit geschwächt. Dennoch habe ich am Ende meines Lebens die Gewißheit, die DDR wurde nicht umsonst gegründet. Sie hat ein Zeichen gesetzt, daß Sozialismus möglich und besser sein kann als Kapitalismus. Sie war ein Experiment, das gescheitert ist. Doch noch nie hat die Menschheit wegen eines gescheiterten Experiments die Suche nach neuen Erkenntnissen und Wegen aufgegeben. Es ist nun zu prüfen, warum das Experiment scheiterte. Sicher scheiterte es auch, weil wir, ich meine damit die Verantwortlichen in allen europäischen sozialistischen Ländern, vermeidbare Fehler begangen haben. Sicher scheiterte es in Deutschland unter anderem auch deswegen, weil die Bürger der DDR wie andere Deutsche vor ihnen eine falsche Wahl trafen und weil unsere Gegner noch übermächtig waren. Die Erfahrungen aus der Geschichte der DDR werden mit den Erfahrungen aus der Geschichte der anderen ehemaligen sozialistischen Länder für die Millionen in den noch existierenden sozialistischen Ländern und für die Welt von morgen insgesamt nützlich sein. Wer seine Arbeit und sein Leben für die DDR eingesetzt hat, hat nicht umsonst gelebt. Immer mehr "Ossis" werden erkennen, daß die Lebensbedingungen in der DDR sie weniger deformiert haben als die "Wessis" durch die "soziale" Marktwirtschaft deformiert worden sind, daß die Kinder in der DDR in Krippen, in Kindergärten und Schulen sorgloser, glücklicher, gebildeter und freier aufwuchsen als die Kinder in den von Gewalttaten beherrschten Schulen, Straßen und Plätzen der BRD. Kranke werden erkennen, daß sie in dem Gesundheitswesen der DDR trotz technischer Rückstände Patienten und nicht kommerzielle Objekte für das Marketing von Ärzten waren. Künstler werden begreifen, daß die angebliche oder wirkliche DDR-Zensur nicht so kunstfeindlich war wie die Zensur des Marktes. Staatsbürger werden spüren, daß die DDR-Bürokratie plus der Jagd auf knappe Waren nicht so viel Freizeit erforderte, wie die Bürokratie der BRD. Arbeiter und Bauern werden erkennen, daß die BRD ein Staat der Unternehmer (sprich Kapitalisten) ist und daß die DDR sich nicht ohne Grund einen Arbeiter-und-Bauern-Staat nannte. (…) Viele werden nach der Berührung mit dem Gesetz und dem Recht der BRD mit Frau Bohley, die uns Kommunisten verdammt, sagen: "Gerechtigkeit haben wir gewollt. Den Rechtsstaat haben wir bekommen." Viele werden auch begreifen, daß die Freiheit, zwischen CDU/CSU, SPD und FDP zu wählen, nur die Freiheit zu einer Scheinwahl bedeutet. Sie werden erkennen, daß sie im täglichen Leben, insbesondere auf ihrer Arbeitsstelle, in der DDR ein ungleich höheres Maß an Freiheit hatten, als sie es jetzt haben. Schließlich werden die Geborgenheit und Sicherheit, die die kleine und im Verhältnis zur BRD arme DDR ihren Bürgern gewährte, nicht mehr als Selbstverständlichkeit mißachtet werden, weil der Alltag des Kapitalismus jetzt jedem deutlich macht, was sie in Wahrheit Wert sind.

Die Bilanz der 40jährigen Geschichte der DDR sieht anders aus, als sie von den Politikern und Medien der BRD dargestellt wird. Der wachsende zeitliche Abstand wird das immer deutlicher machen.

Der Prozeß gegen uns Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates der DDR soll ein Nürnberger Prozeß gegen Kommunisten werden. Dieses Unternehmen ist zum Scheitern verurteilt. In der DDR gab es keine Konzentrationslager, keine Gaskammern, keine politischen Todesurteile, keinen Volksgerichtshof, keine Gestapo, keine SS. Die DDR hat keinen Krieg geführt und keine Kriegs- oder Menschlichkeitsverbrechen begangen. Die DDR war ein konsequent antifaschistischer Staat, der wegen seines Eintretens für den Frieden hohes internationales Ansehen besaß.

Der Prozeß gegen uns als die "Großen" der DDR soll dem Argument entgegengesetzt werden, "die Kleinen hängt man und die Großen läßt man laufen". Das Urteil über uns soll damit den Weg völlig frei machen, um auch die kleinen zu "hängen". Schon bisher hat man sich allerdings hierbei wenig Zwang auferlegt.

Der Prozeß soll die Grundlage für die Brandmarkung der DDR als "Unrechtsstaat" bilden. Ein Staat, der von solchen "Verbrechern" wie uns, von "Totschlägern" regiert wurde, kann nur ein "Unrechtsstaat" sein. Wer ihm nahestand, wer ein pflichtbewußter Bürger der DDR war, soll mit einem Kainszeichen gebrandmarkt werden. Ein Unrechtsstaat kann natürlich nur von "verbrecherischen Organisationen" wie dem MfS, der SED usw. geführt und gestützt worden sein. Kollektivschuld, kollektive Verurteilung soll an die Stelle individueller Verantwortlichkeit treten, um das Fehlen von Beweisen für die behaupteten Verbrechen zu verschleiern. Pfarrer aus der DDR geben ihren Namen für eine neue Inquisition, für eine moderne Hexenjagd. Millionen werden so gnadenlos ausgegrenzt, aus der Gesellschaft ausgestoßen. Vielen werden die Existenzmöglichkeiten bis aufs Äußerste eingeschränkt. Es reicht, als IM registriert worden zu sein, um den bürgerlichen Tod zu erleiden. Der Journalist als Denunziant wird hoch gelobt und reich entlohnt, nach seinem Opfer fragt niemand. Die Zahl der Selbstmorde ist tabu. Das alles unter einer Regierung, die sich christlich und liberal nennt, sowie mit Duldung, ja sogar Unterstützung einer Opposition, die diesen Namen ebenso wenig verdient wie die Bezeichnung "sozial". – Das alles geschieht mit dem selbstverliehenen Gütesiegel des Rechtsstaats.

Der Prozeß offenbart seine politische Dimension auch als Prozeß gegen Antifaschisten. Zu einer Zeit,in der der rechte Mob ungestraft auf den Straßen tobt,Ausländer verfolgt und wie in Mölln ermordet werden , zeigt der Rechtsstaat seine ganze Kraft bei der Verfolgung von Kommunisten. Hier fehlt es auch nicht an Beamten und Geld. Das alles hatten wir schon einmal.Resümiert man den politischen Gehalt dieses Prozesses, so stellt er sich als Fortsetzung des Kalten Krieges, als Regierung des neuen Denkens dar. Er enthüllt den wahren politischen Charakter dieser Bundesrepublik. Die Anklage, die Haftbefehle und der Beschluss des Gerichts über die Zulassung der Anklage sind geprägt vom Geist des Kalten Krieges. Die Präjudizien zu den Gerichtsentscheidungen gehen auf das Jahr 1964 zurück. Die Welt hat sich seitdem geändert, aber die deutsche Justiz führt politische Prozesse, als regiere noch Wilhelm II. Sie hat die vorübergehende liberale politische "Schwäche", die sie nach 1968 überfiel, wieder überwunden und ihre alte antikommunistische Hochform wiedergewonnen. Uns schalt man "Betonköpfe" und warf uns Reformunfähigkeit vor. – In diesem Prozess wird demonstriert, wo die Betonköpfe herrschen und wer reformunfähig ist. Nach außen ist man zwar äußerst geschmeidig, wird Gorbatschow die Ehrenbürgerschaft von Berlin verliehen, wird gnädig verziehen, daß er einst die sogenannten Mauerschützen durch seinen Eintrag in ihr Ehrenbuch belobigte, aber nach innen ist man "hart wie Kruppstahl". Den einstigen Verbündeten von Gorbatschow stellt man dagegen vor Gericht. Gorbatschow und ich gehörten beide der kommunistischen Weltbewegung an. Es ist bekannt, daß wir in einigen wesentlichen Punkten verschiedener Meinung waren. Doch unsere Differenzen waren aus meiner damaligen Sicht geringer als unsere Gemeinsamkeiten. Mich hat der Bundeskanzler nicht mit Goebbels verglichen, und ich hätte ihm das auch nicht verziehen. Weder für den Bundeskanzler noch für Gorbatschow ist dieses Strafverfahren ein Hindernis für Ihre Duzfreundschaft. Auch das ist kennzeichnend.

Ich bin am Ende meiner Erklärung.

Tun Sie, was Sie nicht lassen können.