Sonntag, Oktober 11, 2009

Mündig auf Zuteilung


Nachdem wir einen inhaltslosen Wahlkampf über uns ergehen lassen mussten, ist diesmal alles ganz anders. Der Wähler ist mündig geworden und wusste, was er wollte . An den mündigen Wähler kann ich nicht so richtig glauben, dafür ist der Anteil derer, die bis zum Wahltag noch unentschlossen waren, zu hoch. Keiner wusste, wie die Wahl ausgeht. Aus Angst wurde auf Inhalte und offene Konfrontation verzichtet. Traut man den Umfragen, wussten 60% der Befragten nicht, was die CDU vorhat ,68% glauben nicht, dass die CDU ehrlich ist (Steuern senken), nur 34 % trauen Frau Merkel zu, die Wirtschaft in Schwung zu bringen, und dass sie für soziale Gerechtigkeit eintritt sogar nur 20 %. Paradoxer Weise wurde sie aber gewählt. Was mich richtig wütend macht, ist, dass wieder die Wahlbeteiligung gesunken ist. An Aufrufen zur Wahl zu gehen hat es ja wirklich nicht gemangelt . Im Medium der Jugend, dem Internet, konnte man es eigentlich nicht übersehen. Es gibt kein Interesse an Politik, vor allem bei der Jugend. Sie wissen nicht, welche politischen Inhalte eine Partei hat. Nicht einmal, wer für oder gegen Studiengebühren ist. Warum soll man wählen, Politiker lügen ja sowieso. Ja sie lügen, weil sich keiner mehr interessiert und hinschaut und jetzt, wo das Interesse noch mehr sinkt, müssen sie nicht einmal mehr lügen, denn wir wählen sie auch wegen ihren schönen Plakatgesichtern . Meine Tochter wollte nicht wählen gehen, weil sie nicht wusste, wen sie wählen soll. Schön, die Jugend beschäftigt sich eben nicht mit Politik. Im Internet gibt es den „Wahlomat“, mit dem man anhand von 38 Fragen herausfinden kann, welche Partei zu einem passt. Das habe ich meine Tochter am Wahltag machen lassen, weil es mir fern liegt, jemandem zu sagen, was er wählen soll. An erster Stelle kam eine kleine Partei heraus, die es auf unserem Wahlschein nicht gab, als zweites die Linke. Auf die Frage, was sie nun wählen soll, habe ich nur geantwortet, dass man sehen kann, wo die meisten Übereinstimmungen sind. Die Verunsicherung, die Linke zu wählen, war so groß, dass sie lieber jemanden gefragt hat, was sie wählen soll. Ich bin meiner Tochter nicht böse , ich verstehe, warum sie kein Interesse an Politik hat. Aber dass man einen Menschen so verunsichern kann, dass er nicht wissend lieber einer anderen Meinung folgt, als selbst einen Standpunkt einzunehmen, erschüttert mich. Das ist das Ende einer Demokratie. Der Wähler ist alles andere als mündig. Ich glaube, dass nicht einmal die CDU Wähler, die taktisch gewählt haben und ihre Zweitstimme der FDP gegeben haben, wissen, was sie genau getan haben. Wenn man vorausgesehen hätte, dass die Überhangmandate gar nicht gebraucht werden, hätte man die FDP genauso gewählt? Wir dürfen gespannt sein, was auf uns zukommt. Bei einem bin ich mir relativ sicher: der Überwachungsstaat wird weiter ausgebaut. Wer glauben will, dass dies im Zusammenhang mit dem Terrorismus zu unserem Wohle geschieht, soll weiter träumen. Man will dafür sorgen, dass der Bürger „mündig“ bleibt. In der DDR war das Unmögliche (friedliche Revolution) möglich. Jetzt will man das Mögliche unmöglich machen. Der Überwachungsstaat schadet der Demokratie und zementiert die Macht. Daran hat sich seit der DDR nichts geändert. Kein Staat überwacht seine Bevölkerung zu deren Wohle, sondern zur Sicherung des Fortbestandes. Das mag in einer Diktatur (des Proletariats) auch irgendwie Sinn machen. Aber wie ist es in der Demokratie? Kann es einen Staatsschutz überhaupt geben und was schützt er vor wem ? Worin besteht der Unterschied zur Stasi ? Stellen sie sich vor, ein Gesetz, zum Beispiel zur Bankenrettung, erzürnt die Bevölkerung derart, dass es Massendemonstrationen gibt, die darin gipfeln, den Bundestag zu stürmen und die Regierung abzusetzen. Was würde ihrer Meinung nach passieren? Denken sie darüber nach. Jeder weiß genau, dass die DDR eine Diktatur war, aber wann hört Demokratie auf oder wann beginnt sie? Ja, dieses Mal wird wieder alles ganz anders, anders als wir es wollen. Politik ist Marktwirtschaft: der Billigste regiert, nicht der Beste.