Sonntag, Oktober 13, 2013

50 Jahre ohne Feuerwerk


Ein 50ster Geburtstag wird groß gefeiert, aber warum eigentlich. Weil es die Hälfte unseres Lebens ist? Wohl eher nicht. Gerade Männer, welche nicht in Wohlstand leben, schaffen es oft gerade einmal bis zur Rente. Der 50ste ist eine Leistungsschau, was habe ich erreicht im Leben. „Mann“ zeigt, was man sich leisten kann, ein Ständchen vom Kammerorchester mit Opernsängerin oder Stripperin und Bier bis zur Besinnungslosigkeit. Was habe ich mit fünfzig erreicht? Haus, Auto, Boot, Pferd? Für meine Verhältnisse kann ich stolz auf das erreichte sein, zumal jeder „Stein“ mit eigenen Händen geschaffen wurde. Nur zufrieden bin ich nicht. Es ist aber nicht der Wohlstand, sondern die Lebensumstände, mit denen ich nicht zufrieden bin. Die Jagd nach Wohlstand ist es, die uns vom Weg abbringt. Bis 1989 war ich zu jung und wusste nur, was ich nicht wollte. Ein klares, politisches Ziel hatte ich aber nicht vor Augen. Die DDR irgendwie verbessern, wozu der christliche Glaube prädestiniert erschien. Als Pfarresssohn glaubte ich an christliche Nächstenliebe. Eine andere Meinung hatte natürlich Einfluss auf das Fortkommen, als Repressalien habe ich es nicht empfunden. Dass man mich aus Mangel an Mitgliedschaften in diversen Organisationen der DDR von bestimmten Veranstaltungen aus schloss und ich z.B. bei Gewerkschaftsversammlungen als einziger weiterarbeiten musste, war eine logische Konsequenz. Der Unterschied zu heute ist, dass ich auch heute noch als gesellschaftlich untragbar gelte, nur sagt es mir heute keiner mehr offen ins Gesicht. Dass man als Christ einen großen Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung in der DDR nehmen konnte, zeigt die friedliche Revolution sehr deutlich. Auch wenn ich mich nicht von der anfänglichen Euphorie anstecken lies, mein Begrüßungsgeld sausen lies und erst nach 18 Monaten das erste Mal in den Westen fuhr, habe ich mich von der Freude über die Einheit blenden lassen. Dann kamen sehr schnell Existenzängste und die lähmen den Verstand mehr wie jede Droge. Das einzige, auf das ich heute noch ein wenig stolz sein kann, ist, dass ich Helmut Kohl nicht gewählt habe. Das ist aber nicht wirklich viel für ein halbes Jahrhundert. Ich möchte die DDR nicht besser machen, als sie war, aber was hat sich für uns wirklich verändert!? Was nützt Meinungsfreiheit, wenn keiner mehr zuhört. Was nützt Umweltschutz, wenn er nicht für alle gilt. Was nützen demokratische Wahlen, wenn sie nichts ändern können? Was nützt Reisefreiheit, wenn man Hartz IV bezieht. Die schlimmste Erfahrung meines Lebens war definitiv nicht die DDR, sondern Hartz IV. Der Kapitalismus kann nur mit ständigem Wachstum überleben, dass dies auf Grund begrenzter Ressourcen unmöglich ist, muss jedem klar sein. Wir brauchen über kurz oder lang eine Gesellschaft, die gerecht und sparsam mit unseren Ressourcen umgeht. Wer glaubt, dass dies im Kapitalismus möglich ist, glaubt auch an den Osterhasen. Da das Wort Sozialismus bzw. Kommunismus durch die Medien Angstschweiß auslöst, nennen wir es gerechte Marktwirtschaft ohne Finanzbedarf. Leider werden wir die Ketten der Existenzangst nicht los, um einen geordneten Übergang zu schaffen. Aber eines Tages wird die Wut der Hoffnungslosigkeit diese Ketten sprengen. Auf Blut eine gerechte Gesellschaft zu schaffen, ist aber sehr schwer und ich hoffe sehnsüchtig, dass wir rechtzeitig aus unserer Angststarre erwachen. 50 Jahre sind kein Grund zum feiern, wenn die Gewissheit für die Zukunft der Nachkommen fehlt. Wer unser Geldsystem versteht, sieht darin keine Zukunft. Geld vergiftet die Welt und die Menschen. Leider habe ich dies 20 Jahre zu spät erkannt. Bis es die Mehrheit erkennt, wird noch viel Zeit vergehen. Ein Fukushima reicht auf jeden Fall nicht aus, denn die Zusammenhänge und Folgen von Katastrophen werden weiter verschwiegen. Keine Regierung wird kommen und sagen: wir müssen weniger verbrauchen, denn wir zerstören unsere Lebensgrundlage. Nein, wir sollen gebrauchsfähige Produkte wegwerfen, um Energie einzusparen, die bei der Herstellung schon verbraucht wurde. 50 Jahre sind kein Grund zum feiern, aber der Zeitpunkt, sich etwas zu wünschen. Mein Wunsch ist es, dass wir erfahren, was unser Lebensstil der Billigprodukte weltweit anrichtet. Unser Gewissen soll sich nicht mit Unwissenheit schützen können. Wenn wir nicht zur Nächstenliebe fähig sind, müssen wir fähig sein, Menschen leiden zu sehen. Der Kapitalismus ist ein Verdrängungswettbewerb, den es nur noch gibt, weil hier nicht nur Reich Arm verdrängt, sondern auch jede Verantwortung erfolgreich verdrängt wird. Der Wunsch nach Wahrheit darf nicht Verfassung gefährdend sein, und damit auch nicht strafbar. Jeder kann diesen Wunsch haben und er führt automatisch zur Beseitigung der aktuellen Grundordnung. Allerdings gibt es mehr als einen Entwicklungsweg. Den in Richtung einer gerechten, demokratischen Marktwirtschaft, um das schlimme Wort nicht zu benutzen, und den Faschismus. Auch wenn es die meisten nicht wahr haben wollen, das Ende der DDR war ein Rückschritt. Allem Anschein nach wird sich diese Entwicklung fortsetzen. Das Bestreben einer absoluten Überwachung zeigt eindeutig, welche Entwicklung angestrebt wird. Es ist nur noch ein ganz kleiner Schritt zum Faschismus und damit wird die Wahrheit strafbar. Dieser kleine Schritt ist der wahrscheinliche, weil auch im Faschismus Vorteile genutzt werden können und Vorteile sind uns nun einmal wichtiger als Gerechtigkeit. Aus diesem Grund wünsche ich mir, dass unser Gewissen mit den Folgen dieser Vorteile belastet wird. Wenn aus Mutti die totale Merkel wird und wir es trotzdem wollen, dann soll es so sein.