Sonntag, Januar 22, 2012

Treibjagd oder Pressefreiheit ???

Am Freitag den 13.1. titelten fast alle Zeitungen, dass ¾ der Bevölkerung das Ansehen des Bundespräsidenten für dauerhaft beschädigt halten. Im Text erfährt man dann, dass 50 % für einen Verbleib Wulffs im Amt sind und nur 44% für einen Rücktritt stimmen. Wie oft haben wir es erlebt, dass nach deutlichen Verlusten und ausgesprochen knappen Wahlergebnissen ein eindeutiger Wählerauftrag herbeigeredet wurde. Bei einem Wahlergebnis, mit einem Abstand von 6%, titelt man aber mit einem auf Dauer beschädigten Ansehen. Ist das noch freie Meinungsäußerung oder Politik und Meinungsmache? In welcher Affäre redeten so viele Beteiligte so freimütig mit der Presse? Wann wurden schon einmal in so kurzer Zeit so viele Verfehlungen recherchiert? Welche Möglichkeiten hat denn eine „freie Presse“ bei ihren Recherchen gegen die sonst geschlossene Mauer des Schweigens? Es ist schon eine Weile her, als über Peter Hartz die VW Affäre zusammen schlug. 6 Jahre später erscheint auf ARD ein sehr wohlwollender Bericht über Peter Hartz, in dem Christian Wulff anscheinend nur eine Nebenrolle spielt.


 Auf der Suche nach Peter Hartz – YouTube http://www.youtube.com/watch?v=sv6bjbzxDB4 

Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass hier der Grundstein für neues Ungemach gelegt worden ist. Der ganze Bericht ist auf jeden Fall ein Paradebeispiel, wie man durch reine Wortwahl auf einmal Peter Hartz positiv darstellt. Das gleiche hätte man mit Christian Wulff tun können und damit titeln: „Breite Mehrheit der Bevölkerung für Wulffs Verbleiben im Amt“. Eine Demokratie gibt es nur mit Pressefreiheit und Pressefreiheit gibt es nur ohne Medienkonzerne. Die Zerschlagung der Medienkonzerne erscheint mir heute genauso utopisch wie damals das Ende der DDR. Wenn die Einrichtung einer Beschwerdestelle über Zensur im Petitionsausschuss kein Gehör findet und der Bürger im Umgang mit den Medien nicht kritischer wird, wird es einen unabhängigen Politiker nicht mehr geben. Gregor Gysi sagt, dass Christian Wulff nicht mehr die geforderte Souveränität für das Amt besitzt und sich abhängig gemacht hat.Gysi sieht die Gefahr, dass Wulff, durch die Abhängigkeit von Angela Merkel, seine überparteiliche Unabhängigkeit verloren hat und die Regierung bei offenkundig grundgesetzwidrigen Gesetzen nicht kritisieren kann. Was Gysi vergisst, ist, dass Angela Merkel ein inniges Verhältnis zu Springer und Bertelsmann pflegt. Ein Bundespräsident, der den Mut hat, sich gegen die Medien zu behaupten, hat seine Unabhängigkeit nicht verloren sondern er gewinnt sie erst. Dabei fallen ihm ausgerechnet die in den Rücken, welche selbst ein Interesse haben müssten, die Macht der Medien zu beschränken. Wenn die Presse schon über geschenkte Bobbycars berichten muss und die Staatsanwaltschaft trotz alledem keinen ausreichenden Anfangsverdacht für die Einleitung von Ermittlungen sieht, spricht das doch für unseren Bundespräsidenten. Das bis jetzt bekannt gewordene ist doch noch vergleichsweise harmlos zu dem Sumpf, in dem manch andere Politiker stehen. Kurt Biedenkopf wird heute noch wegen seiner „Verdienste“ als König Kurt bezeichnet, dabei steht der Mann mehr als hüfttief im Sumpf. Bedauerlicherweise gibt es kaum Journalisten, die auch kritische Fragen stellen. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn Journalisten für das Stellen von Fragen zum „Sachsensumpf“ zu Geldstrafen verurteilt werden. Wir haben keine Freie Presse und keine unabhängigen Politiker. Einen Heiligen kann man unter Politikern nicht erwarten, aber möglicherweise einen, dessen Gewissen Grenzen kennt. Bevor man dem medialen Großaufgebot folgt, sollte man nachdenken, ob dies nicht der Fall sein könnte und Christian Wulff nicht die Starbesetzung ist, aber vielleicht der kleinere Schaden.

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