Die Berichterstattung über unseren Bundespräsidenten hat nichts mehr mit kritischer Berichterstattung zu tun, sondern ist eine Treibjagd.
Ich finde es bemerkenswert, wie in unserer Gesellschaft, in der sonst doch eher die kollektive Vergesslichkeit herrscht, sich sogar Freunde unseres Bundespräsidenten genau erinnern und ausgiebig mit der Presse reden. In wie viele Fällen von Spendenaffären, Amtsmissbrauch, Korruption, Steuerhinterziehung usw. usw. war dies nicht der Fall. Hat die Presse Helmut Kohl zerrissen, als er sich weigerte, in der Parteispendenaffäre die Namen der Spender zu nennen? Ich habe nichts gelesen, wo man auf Grund von Zweifeln zur Zurückhaltung aufruft. Selbst nach der Stellungsnahme des Bundespräsidenten und der anschließenden Bekanntgabe von Teilen des Wortlautes der Mailboxnachricht hat niemand Zweifel, sondern man deutet den Wortlaut zu Ungunsten von Herrn Wulff. Wenn man nicht nur mit ja oder nein antwortet, beginnt schon der Spielraum für Interpretation . Man kann, wenn man will, die gesamte Erklärung auch positiv bewerten. Der Bundespräsident spricht zu Beginn des Interviews von einer breiten Unterstützung aus der Bevölkerung, angesichts der medialen Vorverurteilung ist dies allerdings unwahrscheinlich. Selbst die Nachdenkseiten, welche eher kritisch berichten, greifen den Bundespräsidenten an und werfen ihm sogar vor, dass er „dem Springer-Verlag und der Bild Zeitung die Gelegenheit bot , sich als Vorkämpfer für die Pressefreiheit aufzuspielen und so tun konnte, als würde sie auch vor konservativen Politikern nicht klein bei geben. Dabei war die wohlfeile Kampagne gegen Wulff nur eine Machtdemonstration dafür, wie die Medien und die Öffentlichkeit mobilisiert werden können, wenn die Politik nicht nach der Pfeife von Springer tanzt.“ Die Nachdenkseiten sind der Meinung, dass die Kampagne gegen Wulff eine Machtdemonstration der Presse ist, stellt aber nicht die Frage, wozu diese Machtdemonstration dient.
In dem Film „Wag the Dog“ wird als Ablenkung von einer Krise wegen sexueller Belästigung vor den Präsidentschaftswahlen ein Krieg gegen Albanien erfunden und von Amerikas Topp-Produzenten gefilmt und zusammengeschnitten. Der Wahrheitsgehalt dieses Films spielt keine Rolle, Fakt ist, Politik ist nicht ehrlich, sonder wird mit Lügen, Halbwahrheiten und Ablenkung betrieben. Ich bin mir sicher, dass es bald wie für Theodor von Gutenberg auch für Christian Wulff eine breite Unterstützung in der Bevölkerung geben wird. Eine Ablenkung funktioniert am besten, wenn man die Bevölkerung in zwei Lager spaltet. So lange wir uns beschimpfen und darüber streiten, ob ein Verteidigungsminister oder Bundespräsident gehen soll oder ein Bahnhof unter die Erde gelegt wird, stellt niemand wichtigere Fragen. Es ist erschreckend, was die Medien aus uns machen. Das Interview unseres Bundespräsidenten war perfekt inszeniert und nur ein wohlwollender Artikel und wir haben einen Bundespräsidenten der Herzen. Ist ein Bundespräsident, der ganz offensichtlich von dem Wohlwollen der Presse abhängig ist, in der Lage, seine Aufgaben wahrzunehmen, zu denen unter anderem das Unterzeichnen und Prüfen von Gesetzen gehören? Ich wünsche mir nichts mehr als einen Bundespräsidenten, der mit den Medien „Krieg“ führt und ihre Macht zerschlägt. Dass Christian Wulff jetzt auch noch wegen seiner Rolle als früheres Aufsichtsratsmitglied von Volkswagen unter Beschuss gerät, finde ich nachdenkenswert. Eine Drohung in Höhe von 1,8 Milliarden, wann hat es das schon einmal gegeben?
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