Dienstag, September 02, 2014

Über 50% Nichtwähler sind ein klarer Wählerauftrag


"die Welt": „Das Wahlergebnis in Sachsen hinterlässt einen schalen Geschmack. Es erweckt den Eindruck, als hätte hier in den vergangenen fünf Jahren vor allem schlechte Laune regiert. Tatsächlich aber war eine Regierung von CDU und FDP am Werk, deren Arbeit sich sehen lassen kann. Wenn sich dennoch ein Drittel der Wähler für linke und rechte Populisten entscheidet, muss man sich schon fragen, wie ernst die Bürger sich und ihr Wahlrecht eigentlich noch nehmen. Offenbar geht es ihnen immer mehr um das Anzeigen von Emotionen – und immer weniger um politische Ratio."


Wieder ist eine Wahl vorbei und nicht das Wahlergebnis, sondern die Reaktionen darauf hinterlassen einen schalen Beigeschmack. Stanislaw Tillich steht grinsend da und verkündet die Freude über einen klaren Wählerauftrag. Bei über 50% Nichtwählern weiß ich nicht, wo er diesen klaren Auftrag sieht. Die CDU erhielt keine 20 % der wahlberechtigten Stimmen. Die Medien erdreisten sich, den Wählern, welche den „rechten und linken" Rand wählen, politische Vernunft abzusprechen. Dass über 50 % der aktuellen Politik überdrüssig sind, hindert sie aber nicht daran zu behaupten, sie hätten eine gute Arbeit gemacht. Wenn man anfängt zu analysieren, was man im Wahlkampf falsch gemacht hat, um dies noch schnell vor der nächsten Landtagswahl zu ändern, ist man keine Volkspartei, sondern genauso Bauernfänger wie jene, denen man es vorwirft. Ich kenne junge Menschen, die sich nicht für Politik interessieren und deshalb den „Wahl-O-Mat" benutzt haben. Am Ende waren sie erschrocken, weil die NPD herauskam. Wenn ich mein Wahlrecht noch ernst nehme, kann ich es nicht für eine Partei verwenden. Wer sein Wahlrecht ernst nimmt, benutzt es im Alltag beim Konsum. Hier kann man noch Entscheidungen treffen. Wenn ich höre, dass man jetzt erst einmal das Ergebnis der Wahl analysieren muss und dann Fehler beheben, wird mir nur schlecht. Wenn ich eine Überzeugung habe, ist es kein Fehler, danach zu handeln, selbst wenn es einmal nicht zum Erfolg führt. Wenn ich die Überzeugung habe, es wäre richtig, Waffen in den Irak zu liefern, kann ich diese Entscheidung auch vor der Wahl treffen. Die Parteien und ihre Spitzenkandidaten haben aber keine Überzeugung. Sie müssen analysieren, um das nächste Mal dem Bürger besser nach dem Mund zu reden. Und wenn die Wahl vorbei ist, grinsen ihre Spitzenkandidaten, weil wir wieder auf sie hereingefallen sind. Bis vor kurzem war ich noch ein glühender Verfechter, sein Wahlrecht wahrzunehmen. Wenn man sich nicht traut, das Ergebnis des „Wahl-O-Maten" zu wählen, weil der mediale Druck zu hoch ist, kann man doch niemanden mehr auffordern, seine Stimme abzugeben. Seit den Verhandlungen zum TTIPP Abkommen, habe ich selbst jede Hoffnung aufgegeben, an politische Veränderungen zu glauben. Die Macht der Medien und ihrer politischen Handpuppen ist so groß, dass ein Großteil der Wähler ihre Stimme keiner Partei geben will, die als regierungsunfähig erklärt wird, obwohl sie ihre Interessen am meisten vertritt. Seit Jahren sinkt die Wahlbeteiligung. Statt sich einzugestehen, dass es eine tiefe Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik gibt, rechtfertigt man sich mit schlechtem Wetter und ungünstigem Wahltermin. So kann man weiter machen wie bisher und sich über einen klaren Wählerauftrag freuen, obwohl über 50% gar keinen Auftrag ausgesprochen haben, weil niemand da ist, der diesen Auftrag ausführen kann. AfD und Linke wird „vorgeworfen", ein Sammelbecken für enttäuschte zu sein. Sie werden zu Protestparteien ohne Lösungswege abgewertet. Die einzigen Parteien, die regierungsfähig sein wollen, sind aber der Grund für Protest und Nichtwähler. Im Grunde ist dies keine Demokratie mehr. Das ganze Parteiensystem muss reformiert werden. Im Moment haben wir bei den Parteien eine Basis, die ehrenamtlich arbeitet. Auf der anderen Seite haben wir das Spitzenpersonal, das fürstlich entlohnt wird. Entscheidungen werden aber in der Regel ohne Befragung der Parteibasis oder der Wähler getroffen. Der Fisch stinkt zu erst am Kopf und wenn man den Rest vom Fisch retten will, muss man den Kopf abschneiden.

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