Loveparade 2010 – Chronologie einer Katastrophe (21 Tote / über 500 Verletzte)
http://www.crankworld.de/archives/1125
Sonntag, August 01, 2010
Opfer brauchen ein Gesicht, damit wir begreifen was wir tun.
Zutiefst bewegt trug Kraft, deren eigener Sohn ebenfalls auf der Love Parade gefeiert hatte, die Bitte vor, die ihr ein Vater eines der Opfer mit auf den Weg gegeben habe. In Deutschland sollten die Menschen "unser Wertesystem überdenken". Der Mensch müsse wieder "Leitlinie unseres Handelns sein. Das muss, das wird, unsere gemeinsame Verpflichtung sein", versprach Kraft. Schon der Beginn der Untersuchung zeigt, es ist nicht weit her mit der gemeinsamen Verpflichtung. Es wird nicht oft so offensichtlich, wie menschenverachtend diese Gesellschaft ist. In der Regel bleiben die Opfer gesichtslos und berühren uns nicht. Es ist etwas anderes, wenn Einzelschicksale pressewirksam werden. Man redet immer von einer Massenpanik, ich habe auf keinen der Videos im Internet eine gesehen. Wäre eine Massenpanik ausgebrochen, wären die Opferzahlen in die Tausende gegangen. Es handelt sich hier nicht um eine nicht vorhersehbare Massenpanik, sondern um ein langsames Anwachsen von Druck durch Menschenmasse. Diese Tragödie wäre also zu verhindern gewesen. Der logische Rückschluss ist, dass jemand dafür die Verantwortung trägt. Hier sind wir an dem Punkt wo sich Wut aufstaut. Dieser Wut wird Genüge getan, wenn es Schuldzuweisungen gibt. Wir sind schnell dabei, Verantwortung einzufordern, aber nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wir denken gar nicht darüber nach, welche Konsequenzen unsere Handlungen haben können. Es war nur ein kleines bisschen „Schieben", was sich summiert hat, dass Menschen erdrückt wurden. Fühlt sich deshalb jemand schuldig? Jeder von uns trägt dazu bei, dass diese Gesellschaft so ist wie sie ist, aber keiner ist verantwortlich. Aber jeder kleine Beitrag summiert sich und es interessiert uns nicht, wer am Ende zu Schaden kommt. Wir denken immer zu erst an uns selbst und suchen die Schuld bei anderen. Es ist am einfachsten, der Politik die Schuld zu geben, die wir durch unser Handeln oder nicht handeln erst ermöglichen. Wir sind eine Gesellschaft von Drückebergern. Wer überdenkt schon die Folgen seines Handelns. Wir rechtfertigen uns damit, dass es alle genauso machen, oder, dass es nicht verboten ist. Genau genommen ist jeder, der Auto fährt, ein potenzieller Mörder. Wir fahren ohne schlechtes Gewissen zu schnell, weil das alle machen und dann gibt es noch die, die mit 280 über die Autobahn heizen, weil es nicht verboten ist und erzählen, sie beherrschen ihr Fahrzeug. Warum ist das so? Weil unser Wertesystem auf Profit, Macht und Statussymbolen basiert. Es ist ein Traum zu denken, dass der Tod von einundzwanzig Menschen daran etwas ändern könnte. Von der Politik hat man nichts zu erwarten. Jeder einzelne von uns muss aufhören zu „schieben" und begreifen, dass auch er an allem einen Bruchteil Verantwortung trägt. Erst dann wird sich etwas ändern.
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