Mittwoch, Januar 19, 2022

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,


der ehemalige Gesundheitsminister Jens Span hat gesagt: wir werden uns nach der Pandemie viel zu verzeihen haben. Ich schließe daraus, dass er davon ausging, erhebliche Fehler zu machen. Wer alles richtig macht, dem muss ja nichts verziehen werden. Im allgemeinen ist es fast unmöglich, von einem Politiker eine konkrete Antwort zu bekommen. Politiker reden viel, ohne etwas zu sagen. Das hat sich ausgerechnet in einer Pandemie grundlegend geändert. Auf einmal werden eindeutige Aussagen getroffen, für die es gar keine Grundlagen gibt. Der sächsische Ministerpräsident bezeichnete die Vermutung, dass es zu einer Impfpflicht kommen wird, als bösartige Verschwörungstheorie. Kann man sich nach so einer Aussage darauf berufen, dass es jetzt eine neue Faktenlage gibt? Was macht Politiker so sicher, dass sie nicht erneut irren? Der Tonfall, der inzwischen eingezogen ist, irritiert mich. Wollen Politiker nicht sehen, was sie damit anrichten, oder können sie es nicht. Warum wird den Machtfantasien, die eine zunehmende Zahl von Verantwortungsträgern hier ausleben, nicht entschieden entgegengetreten. Wie kann man allen Ernstes höhere Krankenkassenbeiträge oder die Streichung des Krankenngeldes für ungeimpfte fordern. Wie kann man nach der systematischen Verfolgung von Juden, Sinti, Roma, Sozialdemokraten und Kommunisten das Wort Internierung in den Mund nehmen. Wenn wir in einer Demokratie leben, vertreten Politiker die Interessen ihrer Wähler. Auch Minderheiten sind zu berücksichtigen. In unserem Grundgesetz sind aus den Erfahrungen des Dritten Reiches die Grundrechte so festgeschrieben, dass sie in ihrem Wesensgehalt unveränderlich sind. Wenn Politiker nicht in der Lage sind, ihre Wähler von ihren Absichten zu überzeugen, müssen sie zurücktreten. Repressalien sind keine demokratischen Mittel. In der Politik wird sich neuerdings auf „die Wissenschaft" berufen. Unabhängig davon, dass man sonst auch nicht auf „die Wissenschaft" hört, gibt es „die Wissenschaft" gar nicht. Wissenschaft lebt vom Diskurs und was heute gilt, ist morgen überholt. Es gibt auch keine unabhängige Wissenschaft. Beim Einwerben von Forschungsgeldern wird so manches Ideal über Bord geworfen. Wissenschaft muss aber unabhängig sein. Das kann sie nur, wenn sie mit ausreichend Geld ausgestattet wird, das Ergebnis offen gewährt wird. Das Vertrauen in „die Wissenschaft" ist seit der Erfindung der Atombombe angeschlagen. Viele Wissenschaftler sehen keine Verantwortung für die Bombe. Sie sind der Meinung, dass sie nicht die Verantwortung dafür tragen, was Politik und Industrie aus ihren Erfindungen machen. Die mRNA ist eine bahnbrechende Erfindung, aber niemand weiß, ob daraus, in den falschen Händen, eine weitere Bombe wird. Das grundlegendste, was ich in meinem Leben lernen musste, ist, dass Kontrolle besser ist als Vertrauen. Wenn Impfstoffverträge geheim sind, bin ich automatisch vorsichtig. Nicht, dass ich die Verträge verstehen könnte, das können nur sehr wenige. Die wenigen sind aber offensichtlich schon zu viele. Die Studien zur Impfung können nicht geheim gehalten werden. Dafür gibt es so viele, dass man sie nicht überschauen kann. Da es sich um ein neues Verfahren handelt, wird „die Wissenschaft" auch immer wieder neue Erkenntnisse gewinnen. Wer wissenschaftsaffin ist, wird mit einer neuen Impfung kein Problem haben. Man kann aber niemanden zwingen, einer neuen Technologie zu vertrauen. Man kann den Menschen nicht die Gaslampe verbieten, weil der elektrische Strom erfunden wurde. Vertrauen aufzubauen ist eine langwierige Sache. Vertrauen zerstören geht über Nacht. Seit 2 Jahren scheint das keine Rolle mehr zu spielen. Mit der Impfpflicht hat die Politik eine Kuh aufs Eis gestellt. Man sagt: Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis. Er tut also etwas, das widersinnig und dumm ist.

Wer sich auf eine Schutzpflicht beruft aber Intensivbetten abbaut, hat nicht nur ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die Politik muss erklären, warum sie Infektionen mit multi-resistenten Keimen seit vielen Jahren nicht begegnet. Dass es möglich ist, machen die Niederlande vor. Wenn jedes Jahr 10-20 tausend Menschen sterben, die nicht sterben müssten, ist das, nach jetziger Rhetorik, eine Verletzung der Schutzpflicht. Der Vertrauensverlust in die Politik ist nicht umkehrbar. Statt den Bürger zu überzeugen, erklärt man ihn als lästig.

Das Problem der Politik ist, dass sie in einer Filterblase sitzt, ohne jede Bindung ans Volk. Sie haben keine Ahnung von den Sorgen der Menschen. Es ist ihnen einfach zu wohl. Ich habe aber noch nie gehört, dass ein Esel eine Kuh vom Eis holen kann.

Dass ich so einen Brief schreiben kann, ist im übrigen kein Beleg für eine Demokratie. Der Beleg für eine Demokratie ist die Antwort. Wenn der Demokratie die Frage nicht passt, weil sie Fehler offen legt, gibt es keine Antwort, was sich gerade am Beispiel der Ausgleichsbeiträge wiederholt deutlich zeigt. Die Politik möchte mich als Wähler, als Staatsbürger mit Verantwortung, aber als Bürger, der Rechte geltend macht, bin ich lästig.




Mit freundlichen Grüßen


Andreas Teichmann




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