Mittwoch, August 17, 2011

50 Jahre Mauerbau

wir erinnern uns in diesem Jahr an den Mauerbau vor 50 Jahren und
gedenken der Todesopfer, die diese menschenverachtende Anlage gefordert hat. Diese einfache Sichtweise konnten sie fast überall lesen. In der „jungen welt" sagte man stattdessen einfach mal: Danke

für 28 Jahre Friedenssicherung in Europa
für 28 Jahre ohne Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegseinsätzen
für 28 Jahre ohne Hartz IV und Erwerbslosigkeit
für 28 Jahre ohne Obdachlosigkeit, Suppenküchen und "Tafeln"
für 28 Jahre Versorgung mit Krippen- und Kindergartenplätzen
für 28 Jahre ohne Neonaziplakate "GAS geben" in der deutschen Hauptstadt
für 28 Jahre Geschichtswissenschaft statt Guidoknoppgeschichtchen
für 28 Jahre Club Cola und FKK
für 28 Jahre ohne Hedgefonds und Private-Equity-Heuschrecken
für 28 Jahre ohne Praxisgebühr und Zwei-Klassen-Medizin
für 28 Jahre Hohenschönhausen ohne Hubertus Knabe
für 28 Jahre munteren Sex ohne "Feuchtgebiete" und Bild-Fachwissen
für 28 Jahre Bildung für alle

Auch eine Mauer hat ganz offensichtlich zwei Seiten. Es hängt davon ab, auf welcher Seite man lebt. Geben tut es „Mauern" schon sehr lange und egal ob sie in China , der DDR , Korea, den USA oder an den Grenzen der EU errichtet wird, der Grund ist der gleiche. Mauern haben eine Schutzfunktion, aber eben nur für den, der sie errichtet. Das war schon immer so und wird auch so bleiben. Was macht eine Mauer menschenverachtend ? Die Todesopfer, die sie fordert? Durch die Grenzsicherung der EU kamen von 1988-2009 ca. 20000 Menschen ums Leben. Was aber schützt eigentlich der weiter ausgebaute Grenzschutz der EU. Eine „Mauer" ist kein einfaches Bauwerk, sie ist viel mehr. Man darf sich nicht nur an die Freudentränen erinnern, als die Mauer am 9.11.1989 fiel. Anderthalb Jahre später, als ich das erste Mal im Westen war, gab es statt Freudentränen Reserviertheit. Welche Art von Mauer, ob als Bauwerk , Vorurteil oder gesellschaftliche Herkunft, die Funktion ist die gleiche. Mauern erhalten Unterschiede. Die Mauer selbst ist nicht menschenverachtend, sondern die Unterschiede, die eine Mauer entstehen lassen. Je größer die Unterschiede desto größer der Profit. Man muss kein Hellseher sein, dass bei wachsenden Profiten die Unterschiede größer werden. Das wiederum bedeutet, dass es mehr „Mauern" geben wird, was wiederum bedeutet, dass es mehr Menschen geben wird, die versuchen, diese zu überwinden. Das menschenverachtende ist der Profit.

1 Kommentar:

Octapolis hat gesagt…

Es kommt nicht darauf an, auf welcher Seite man (ge-)lebt (hat), sondern wie lange manche brauchen, um zu erkennen, dass es trotzallem eine künstliche Trennung war und auf der Zeitachse nicht mehr als ein Fliegenschiss.